Sie by Henry Rider Haggard

Sie by Henry Rider Haggard

Autor:Henry Rider Haggard
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-09-12T09:47:16+00:00


16

Die Gräber von Kôr

Nachdem man die Gefangenen fortgebracht hatte, winkte Ayesha mit der Hand, und die Zuschauer machten kehrt und krochen wie eine Herde Schafe durch die Höhle davon. Sobald sie sich jedoch ein gehöriges Stück von der Plattform entfernt hatten, erhoben sie sich und eilten hinaus, so daß, abgesehen von den Stummen und einigen Wächtern, nur die Königin und ich zurückblieben. Ich hielt dies für eine gute Gelegenheit, ihr von Leos schlechtem Befinden zu erzählen und sie zu bitten, sich seiner anzunehmen, doch sie lehnte ab und sagte, er werde bestimmt nicht vor der Nacht sterben, denn an diesem Fieber stürbe man stets nur bei Einbruch der Nacht oder am frühen Morgen. Auch meinte sie, es sei besser, der Krankheit so weit als möglich ihren Lauf zu lassen, bevor sie ihn heilte. Als ich mich daraufhin zurückziehen wollte, gebot sie mir, ihr zu folgen; sie wolle mit mir reden und mir die Wunder der Höhlen zeigen.

Ich war bereits viel zu sehr in ihren verhängnisvollen Bann verstrickt, um abzulehnen, selbst wenn ich es gewollt hätte, was indes nicht der Fall war. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und stieg, den Stummen einige Zeichen gebend, von der Plattform. Vier der Mädchen ergriffen Lampen und stellten sich – je zwei – vor und hinter uns, während die anderen sowie die Wächter sich entfernten.

»Nun«, fragte sie, »möchtest du jetzt einige der Wunder dieses Ortes sehen, o Holly? Sieh dir diese große Höhle an. Hast du dergleichen je erblickt? Sie wurde, wie viele andere, von dem ausgestorbenen Geschlecht, das einst hier in der Stadt auf der Ebene lebte, mit den Händen aus dem Fels herausgeschlagen.

Sie müssen ein großes und wundervolles Volk gewesen sein, diese Kôrer, doch wie die Ägypter dachten sie mehr an die Toten als an die Lebenden. Wie viele Männer, glaubst du, und wie viele Jahre waren notwendig, um diese Höhlen und all die Gänge zwischen ihnen zu schaffen?«

»Zehntausende«, erwiderte ich.

»So ist es, o Holly. Dieses Volk war bereits ein altes Volk, bevor die Ägypter waren. Ein wenig kann ich seine Inschriften lesen, denn ich fand den Schlüssel dazu – siehst du, dies war eine der letzten Höhlen, die sie gruben«, und sie wies, den stummen Mädchen bedeutend, ihre Lampen hochzuheben, auf die Felswand hinter sich. Hinter der Plattform befand sich das gemeißelte Bild eines alten Mannes, der in einem Stuhl saß und einen elfenbeinernen Stab in der Hand hielt. Mir fiel sogleich auf, daß seine Züge erstaunlich jenen des Mannes glichen, welcher auf den Bildern in der Kammer, in der wir unsere Mahlzeiten einnahmen, einbalsamiert wurde. Unter dem Stuhl, der übrigens genauso geformt war wie der, in dem Ayesha zu Gericht gesessen hatte, befand sich eine kurze Inschrift in den bereits erwähnten merkwürdigen Buchstaben, die eine starke Ähnlichkeit mit chinesischen Schriftzeichen hatten. Langsam und stockend las Ayesha mir diese Inschrift vor und übersetzte sie sodann. Sie lautete wie folgt:

»Im Jahre viertausendzweihundertneunundfünfzig nach Gründung der Hauptstadt des kaiserlichen Kôr wurde diese Höhle (oder Begräbnisstätte) von Tisno, dem König von Kôr, vollendet, nachdem



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