Sex mit Gysi by Sarah Waterfeld

Sex mit Gysi by Sarah Waterfeld

Autor:Sarah Waterfeld [Waterfeld, Sarah]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Eulenspiegel Verlag
veröffentlicht: 2015-06-08T16:00:00+00:00


8. Kapitel

Machiavelli

»Na, Mausi, du siehst super aus! Wie war dein Wochenende?«, fragte Colette, als Syana am Montagmorgen überpünktlich das Büro betrat.

»Schön. Ich hab renoviert. Und rate, was ich endlich geschafft habe! Ich hab am Samstag dieses Pulverreinigungszeugs für die Kaffeemaschine besorgt. Das mach ich gleich mal«, erwiderte Syana und ging vor dem Schränkchen mit der Kaffeemaschine in die Knie.

»Tüchtig, tüchtig!«, rief Bertram von seinem Schreibtisch aus und verfiel sofort in einen zehnminütigen Vortrag über das Kandidaturproblem und die Qualitäten, die man für den Führungsposten mitbringen musste. Immerhin war er einmal PDS-Landesvorsitzender gewesen.

»Dieses ganze Führungsgelaber. Führung! Wenn ich das schon höre«, fiel Syana ihm irgendwann ins Wort. »Eigentlich sollte dieses Wort ja wohl verboten sein in Deutschland. Wer will sich denn nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Holocaust ernsthaft noch Führer nennen lassen? Das ist doch abartig.«

»Sag nicht immer abartig, Syana, das ist ein Naziwort.«

»Ach so, und Parteiführung nicht, oder was?«

»Ein Parteivorsitzender«, nahm Bertram seinen Vortrag wieder auf, »muss in erster Linie repräsentieren, Öffentlichkeitsarbeit leisten, Wählerschaften ansprechen und sie für die Ziele der Partei einnehmen, Vertrauen schaffen eben. Jemand Normales sollte es sein, jemand, der es versteht, auch außerparlamentarische Gruppen zu einen.«

»Eine arbeitslose, alleinerziehende Mutter mit Migrationshintergrund? Oder ein Obdachloser, der wegen der Hartz-IV-Sanktionen auf der Straße gelandet ist, ein Freiheitskämpfer, so was? Wenn sich keine Frau findet, mach ich es halt«, frotzelte Syana. »Nee, im Ernst. Es sollte jemand machen, den man nicht mit Parteiintrigen in Verbindung bringen kann. Dieser Hierarchiedreck! Diese Aufstiegsschleimerei geht mir so was von auf den Sack. So wird das nie was mit eurem demokratischen Sozialismus. Was soll’n das eigentlich sein? Es darf ja wohl nicht wahr sein, dass keine einzige Frau sich traut, diesen Job zu machen. Wie wolln die denn so die Nichtwähler gewinnen? Wir sind die 99 Prozent. Die Linke muss den Menschen Hoffnung machen, sie aufrütteln.«

»Nicht, dass du kandidierst, Syana, und es dann auch noch wirst. Das wäre krass«, witzelte Bertram.

Ein Kollege schaute rein, Siegmund Taffelt. Syana mochte ihn von Beginn an. Sie kannte seine Aufsätze, die in der In(ter)ventio erschienen waren, und bewunderte seine Radikalität. Endlich mal einer, der die Schnauze aufmacht. Siggi war ein Freund des Ostbüros, äußerst schlagfertig und intelligent, starker Raucher und Vater von zwei Kindern. Sein Job stand auf der Kippe, weil seine Abgeordnete im kommenden Jahr nicht wieder kandidieren würde. Er war schon mal arbeitslos gewesen und hatte keine Lust, sich auf das Gehacke um die Stellen in der Fraktion einzulassen, die sich ja deutlich verkleinern würde, wenn man sich die aktuellen Umfragewerte von gerade mal vier Prozent ansah. Siggi wollte sich was anderes suchen, raus aus dem Drecksladen.

»Wusstest du eigentlich schon, Siggi, dass wir hier im Büro eine der führenden Expertinnen auf dem Gebiet der repräsentativen Parteiarbeit haben? Ihr reicher Erfahrungsschatz und ihre fundierten Kenntnisse der Parteistruktur haben sie zu der Einsicht gelangen lassen, dass sie selbst die qualifizierteste Anwärterin wäre«, erklärte Bertram.

»Iiiihhhh, bist du fies!«, sagte Syana.

»Ach, was!«, raunte Siggi, ehrlich erstaunt darüber, wie viel Vorarbeit schon geleistet worden war ohne sein Zutun, und bleckte die Zähne.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.