Selkie by Neumayer Antonia

Selkie by Neumayer Antonia

Autor:Neumayer, Antonia
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Heyne TB
veröffentlicht: 2017-03-10T11:32:03+00:00


13

Die Wellen um sie herum tobten wie Ungeheuer.

Die ganze Welt schien nur noch aus Schwärze, Wasser, Wind und Blitzen zu bestehen.

Sie hatte kein Boot. Alles, was sie vom tosenden Meer trennte, war das winzige Floß, auf dem sie kauerte. Sie wusste, dass die Selkies da waren, obwohl sie sie nicht sehen konnte.

Es war nicht viel mehr als ein unbestimmtes Gefühl, doch sie zweifelte keine Sekunde daran. Die Biester waren hier, und wenn sie einen Moment lang unachtsam war, würden sie an die Oberfläche kommen.

Ein Blitz erhellte die Szene, und sie sah, dass nur wenige Meter von ihr entfernt ein weiteres Floß auf den Wellen schaukelte. Das dunkle, nasse Fell eines kleinen Tieres schimmerte im zuckenden Licht.

Es war Crab. Gabriels Hund. Was um alles in der Welt machte er hier, mitten auf dem Meer?

Ein Teil von ihr ahnte bereits, was passieren würde. Sie streckte die Hand nach dem bebenden Hündchen aus, konnte die Entfernung, die sie voneinander trennte, aber nicht einmal ansatzweise überbrücken.

Sie wollte Crab helfen, konnte es aber nicht.

Der Selkie schoss wie ein Schlangendrache aus der Gischt, das Maul geöffnet, bereit, Crab mit sich in die Tiefe zu ziehen. Seine Zähne glänzten wie geschliffene Dolche.

Sie wartete darauf, den geliebten Hund zwischen den Fängen des Selkies verschwinden zu sehen, da hörte sie in kurzem Abstand drei Schüsse knallen.

Sie sah nicht, ob sie den Selkie trafen, denn plötzlich verschwand das kleine Floß unter ihr, sie fiel ins Wasser.

Doch es war nicht kalt, es war …

… warm?

Warm und erstaunlich trocken.

Kate öffnete die Augen und blinzelte in das helle Sonnenlicht ihres Zimmers. Einen Moment lang befand sie sich im Dämmerzustand zwischen Schlaf und Erwachen, zwischen Einbildung und Realität, doch sie saß augenblicklich aufrecht in ihrem Bett, als sich das Geräusch der Schüsse wiederholte.

Der Lärm kam von der Tür. Einen Moment lang starrte Kate sie fassungslos an, und erst da begriff sie, dass sie sich geirrt hatte. Das Knallen stammte gar nicht von Pistolen – jemand klopfte. Zugegebenermaßen fester, als es die soziale Norm vorschrieb, aber es war nur ein Klopfen. Es war harmlos.

Hastig trat Kate die Bettdecke von sich, stand auf und stolperte zur Tür. Als sie sie öffnete, stand Jack vor ihr – in voller Uniform und die Faust erhoben, als habe er zum erneuten Versuch, ihre Tür einzuschlagen, angesetzt.

»Du bist wach«, stellte er fest. »Dachte schon, ich hätt mich im Zimmer geirrt.«

»Äh, nein«, sagte Kate, während sie ihren Kopf hektisch nach den Erinnerungen an den letzten Tag durchforstete. Da waren Alaric, die Selkies, Gabriel … Ian. Hatte man ihr gesagt, wann sie aufzustehen hatte? »Ich habe vergessen, mir den Wecker zu stell…«

»Hast ja auch noch keinen, oder?«, erwiderte Jack mit angehobenen Brauen. »Deswegen bin ich hier. Geh ins Bad und mach dich in Ruhe fertig und komm dann in ’ner halben Stunde zum Frühstück. Klar?«

»Bin ich nicht zu spät?«, fragte Kate ungläubig.

»Kein Stück.« Er sah sie einen Moment lang an. »Nicht so gut geschlafen, was?«

»Nur schlecht geträumt«, sagte sie ausweichend. Er musste ja nicht wissen, dass sie sich die halbe Nacht lang auf den Felsen herumgetrieben hatte.



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