Sehnsucht nach uns (German Edition) by Shtar Isabel

Sehnsucht nach uns (German Edition) by Shtar Isabel

Autor:Shtar, Isabel [Shtar, Isabel]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Cursed Verlag
veröffentlicht: 2014-03-25T00:00:00+00:00


»Schlauer Junge«, murmelt Papa und hält mich einfach fest.

Kapitel 22

Ganz schön viele Viecher

Ich sitze zwangsläufig zwischen den Stühlen. Die Argumente beider Seiten leuchten mir nüchtern betrachtet ein. Nur widersprechen sie einander so arg. Mir selbst traue ich gar nicht mehr über den Weg. Bin ich nun ein guter Mensch, weil ich mir Treue und Exklusivität wünsche, oder nur ein beschränkter, wirklichkeitsfremder, der die Welt in die Form pressen will, die ihm persönlich passt, statt einen Menschen voll und ganz zu akzeptieren? Ist Gideon frei und dadurch im Reinen mit sich selbst oder nur getrieben und rücksichtslos? Auf jeden Fall hat er mich mit seiner Unaufrichtigkeit hintergangen, diese Tatsache ist unumstößlich.

Am Dienstagnachmittag schreibe ich Gideon eine SMS, dass das Schwimmtraining heute durch ein Gespräch ersetzt werde. Mein erstes Beziehungskrisengespräch. Irgendwann ist immer das erste Mal. Es dauert nicht mal eine Minute, bis er antwortet und mir verspricht, gegen achtzehn Uhr vorbeizukommen.

Die Zeit bis dahin schlage ich mit Malen tot. Anders als sonst fabriziere ich nichts Naturalistisches, sondern gebe den Jackson Pollock. Ich lege die Leinwand auf den säuberlich mit Plane abgedeckten Boden und kleckse wild darauf herum, wie es mir gerade in den Sinn kommt. Ausnahmsweise gefällt mir diese Art von Kunst, denn da muss man nichts entwerfen oder planen, sondern lässt es einfach aus sich heraus, undifferenziert und impulsiv. Das Ergebnis sieht aus wie die Wohnzimmerdekoration eines Serienmörders. Das lässt vermutlich tief blicken.

Um Punkt sechs klingelt es an der Tür. Als ich Gideon an der Tür begrüße, hängt eine beklemmende Distanz zwischen uns. Die Luft scheint aus zähem, grauem Gummi zu bestehen, das einen ersticken will. Wir haben beide Angst und sind schrecklich unsicher, wie wir miteinander umgehen sollen.

»Hier, für dich«, sagt Gideon schließlich und streckt mir vorsichtig ein Päckchen entgegen, als wolle er ein schüchternes Eichhörnchen füttern. Oder irgendetwas anderes, das ihm mit einem Biss die Hand abtrennen könnte. Ein Monster-Eichhörnchen vielleicht. »Ich war noch unten im Käseladen. Den hatten sie im Angebot. Ich hoffe, du kannst ihn brauchen.«

Ich werfe einen kurzen Blick auf die Verpackung und kann mir ein genüssliches Schnuppern nicht ganz verkneifen. »Stinkekäse kann ich immer gebrauchen. Danke schön.«

Ich glaube, das Zeug ist seine Version eines Blumenstraußes. Er muss mir wirklich nichts schenken, aber wenn schon, dann lieber Käse, als chemisch müffelnde Gewächshausrosen. Im Zweifelsfalle ist das Chaos auch geringer, wenn ich ihn mit Käse anstatt eines Blumenstraußes verhaue. Nicht, dass mir nach Gewalttätigkeiten wäre. Bis ich wirklich ausraste und um mich schlage, braucht es deutlich mehr als das hier, was hoffentlich für mich spricht.

»Setz dich doch«, lade ich ihn steif ein. »Willst du was trinken? Kaffee? Bier?«

»Kaffee wäre super.«

Ein paar Minuten später sitzen wir Seite an Seite auf dem Sofa und pusten stumm in unsere Tassen. Wo ist nur unsere stetig lachende Nähe hin? Ach ja, er hat sie weggefickt!

»Machst du Schluss?«, platzt er plötzlich heraus. Seine Augen sind dabei weit aufgerissen, in ihnen steht die nackte Panik. Ich kann es gut nachvollziehen, denn bei diesem Gedanken ergeht es mir genau so.

»Ich war so unendlich bescheuert«, eröffnet er mir mit an Hysterie grenzender Heftigkeit.



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