Seelenzauber: Thomas Mann und die Musik by Vaget Hans Rudolf

Seelenzauber: Thomas Mann und die Musik by Vaget Hans Rudolf

Autor:Vaget, Hans Rudolf [Vaget, Hans Rudolf]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thomas Mann, Literaturgeschichte, Musik, Richard Wagner
ISBN: 9783104017136
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2011-12-08T23:00:00+00:00


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Die Zäsur von 1933 brachte zunächst keine Änderung in Manns Verhältnis zu Bruno Walter, der bis zur Dazwischenkunft Adornos im Juli 1943 sein wichtigster Vermittler von Musik blieb. Vermutlich rückten sie nach der 1930 in Berlin gemeinsam erfahrenen Einschüchterung politisch näher zusammen. Damals verdankte Mann es der Ortskenntnis Walters, der ihn über einen Schleichweg in Sicherheit brachte, als bei Manns Vortrag Appell an die Vernunft im Beethovensaal von den Nazis inszenierte Randale und eine Schlägerei ausbrachen.[292] In den ersten Jahren des Exils, als die Manns zuerst in Zürich, dann in Princeton lebten, während die Walters zunächst in Wien und ab 1939 in Los Angeles wohnten, wurden die wechselseitigen Besuche notgedrungen rarer als in den Münchner Jahren. Umso gewissenhafter besuchte man nach Möglichkeit die Konzerte und Opern-Dirigate Walters. Gastierte dieser in Zürich, konnte er auf seine Münchner Freunde zählen; war er in Winterthur oder Luzern zu Gast, nutzte man die Gelegenheit zu einem Ausflug dorthin. Einen Höhepunkt markierten die Salzburger Festspiele 1935.[293] Dort hörte Mann nicht nur ein denkwürdiges Don Giovanni-Dirigat Walters, sondern auch Fidelio und Falstaff unter Toscanini. In Amerika sodann hörte man den Freund des Hauses in New York sowohl in der Carnegie Hall als auch der Metropolitan Opera und einmal sogar in Washington. Am häufigsten aber erlebte man Walter in Los Angeles, sei es in der Philharmonie, sei es in der Hollywood Bowl, dem Freiluftspielort des Los Angeles Philharmonic Orchestra während des Sommers; dazu kommen die Privatkonzerte in Walters Haus in Beverly Hills oder bei Lotte Lehmann in Santa Barbara.

Das »Weimar am Pazifik«, wie man die deutsche Emigrantenszene in Südkalifornien gerne bezeichnet, bedeutete für Thomas Mann in erster Linie ein Wiedereintauchen in die Musikkultur der Weimarer Republik. Sie war jedoch weniger durch den konservativ eingestellten Walter vertreten als durch die Vertreter der Moderne wie Arnold Schönberg, Hanns Eisler, Theodor W. Adorno und Otto Klemperer. Besonders charakteristisch für Manns Anhänglichkeit an »seinen« Dirigenten sind seine Versuche, auch unterwegs über das Radio sich möglichst kein Walter-Konzert entgehen zu lassen. Auf Vortragsreise in der tiefsten Provinz des Mittleren Westens versuchte man über ein extra mitgeführtes Radio die Übertragung eines Walter-Konzerts zu empfangen vergeblich (10. 2. 1940). Und auf einer samstäglichen Ausfahrt lauschte man im Auto der Übertragung eines Fidelio aus der Metropolitan Opera, von der Mann so ergriffen war, dass er nach der ersten Szene des zweiten Akts den Wagen anhalten ließ, um mit gespanntestem Interesse zu verfolgen, wie Walter die große Leonoren-Ouvertüre vor der Schlussszene dirigierte »das beste Musikstück der Welt«, wie er nicht müde wurde zu wiederholen (VI, 107).

Wer sich vor Augen hält, dass gerade Musiker die größten Schwierigkeiten mit Manns Musikroman haben, wird nicht überrascht sein, dass mit dem Doktor Faustus das Verhältnis zu Bruno Walter in ein krisenhaftes Stadium eintrat. Manns Herleitung der geschichtlichen Katastrophe aus der »deutschesten der Künste«, d.h. der deutschen Musikidolatrie, beunruhigte zum Beispiel einen bedeutenden Musiker wie den Geiger Adolf Busch, den er darob nur mit Mühe zu beschwichtigen vermochte (XI, 227). Auch Bruno Walter, dem der schon im Zauberberg ausgeführte Gedanke, die Musik sei »politisch verdächtig« (5.



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