Schwarzer Nebel by Günther R. Leopold

Schwarzer Nebel by Günther R. Leopold

Autor:Günther R. Leopold [Leopold, Günther R.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Amalthea Signum Verlag
veröffentlicht: 2015-02-11T23:00:00+00:00


15.

»Ich gebe ja zu, dass Sie mit der Zeit eingebildet werden könnten!« Ann Wigsdown blickte in das lausbübische Grinsen, das Harry Spring so gut stand. Sie war es nun schon fast gewöhnt, seinen roten Sportwagen des Morgens gegenüber ihrer Bushaltestelle parken zu sehen.

Er versuchte es mit einer unschuldsvollen Geste. »Mein Interesse gilt ja gar nicht Ihnen«, lächelte er, »das heißt, vielleicht doch – aber nur einem winzigen Teilchen von Ihnen!«

»Wenn Sie jetzt wieder von meinem Ohr anfangen, werde ich ernstlich böse!« Sie sah ihn mit einem gewollt strafenden Blick an, worauf er erneut lachen musste. »Allmählich nimmt Ihre Einfallslosigkeit einen chronischen Charakter an, ganz abgesehen davon, dass es nicht gerade taktvoll ist, nur wegen einer Missbildung geschätzt zu werden!«

»Einer ganz reizenden aber!« Er murmelte es so, dass sie es gerade noch verstehen konnte. Dann fuhr er lauter fort: »Man soll jungen Damen nie die Wahrheit sagen. Das hat meine kleine Cousine auch gesagt, kurz nachdem sie der Schlag getroffen hatte, als sie bei der Testamentseröffnung von ihrem Millionenerbe erfuhr.« Wenn man den Worten des jungen Mannes Glauben schenken durfte, musste er eine ungewöhnlich weitverzweigte Verwandtschaft besitzen. Von der Mutter seiner fünf unversorgten Kinder bis zu diversen Tanten und Cousinen hatte Ann im Laufe der letzten Tage eine stattliche Anzahl von Personen kennengelernt, die alle sehr viel zu sagen wussten. Ann ging in der Annahme nicht fehl, dass er in Wahrheit das einzige, unverheiratete Kind von geschwisterlosen Eltern war.

»Haben Sie mir nicht gestern erzählt, Ihre Cousine wäre im zarten Kindesalter an Mumps gestorben?« Doch der junge Mann war nicht aus der Fassung zu bringen. »Das muss ihre Schwester gewesen sein. Bevor sie sich verheiratete …«

»Im zarten Kindesalter!«

»Sie haben recht! Von der Seite habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet!« Er schwieg nun doch etwas verwirrt. »Glauben Sie nicht, dass man Mumps auch etwas später bekommen kann?«, fragte er kläglich.

»Bestimmt«, gab sie großmütig zu. »Sie zum Beispiel könnten Mumps noch heute bekommen, wenigstens nach der kindischen Art ihrer Geschichten zu schließen!«

Mit einem hochmütigen Nicken ließ sie ihn stehen und stieg in den eben haltenden Bus ein. Ann Wigsdown wusste genau, was nun folgen würde: Der Bus setzte sich unter Ächzen und Stöhnen in Bewegung, worauf Harry Springs MG einen halbkreisförmigen Bogen machte und wie ein braver Hund hinterherzottelte. Durch halb London ging so die Fahrt. In den letzten Tagen war es beinahe zum Zeremoniell geworden. Ann konnte sicher sein, der junge Mann würde sie mit treuherzigem Grinsen wieder bei der Bushaltestelle vor dem Außenamt erwarten.

»Wird Ihnen das nicht langweilig?« Ann konnte sich diese Frage nicht verkneifen, als sie seine lässige Gestalt tatsächlich an der Haltestelle lehnen sah.

»Es könnte doch sein, dass Sie eines Tages wieder eine wichtige Konferenz mit dem Unterstaatssekretär haben.« Er fragte nicht erst, ob ihr seine Begleitung angenehm war, und schlenderte an ihrer Seite. »Außerdem habe ich an Ihnen ein rein berufliches Interesse!«

Jetzt lächelte sie genauso spitzbübisch wie vorhin er. »Sie werden doch meine Jausensandwiches nicht für gestohlene Diamanten halten?«

»Dennoch sind Sie bares Geld für mich!« Entgegen seiner sonstigen Art klang dieser Satz durchaus ernst, sodass sie erstaunt aufblickte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.