Schwarze Hunde (German Edition) by McEwan Ian

Schwarze Hunde (German Edition) by McEwan Ian

Autor:McEwan, Ian [McEwan, Ian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257603279
Herausgeber: Diogenes Verlag AG
veröffentlicht: 2015-01-21T05:00:00+00:00


III

Majdanek. Les Salces.

St.-Maurice-de-Navacelles

1989

Am nächsten Tag rührte er sich nicht aus der Wohnung in Kreuzberg. Mit verdrießlichem Gesicht lag er in dem winzigen Wohnzimmer auf der Couch, eher zum Fernsehen aufgelegt als zu einem Schwatz. Ein mit Günter befreundeter Arzt kam vorbei, um sich das verletzte Bein anzusehen. Vermutlich hatte Bernard sich nichts gebrochen, doch legte ihm der Arzt nahe, sich in London röntgen zu lassen. Spätvormittags ging ich spazieren. Die Straßen sahen verkatert aus, auf dem Boden lagen Bierdosen und zerbrochene Flaschen herum, und um die Würstchenbuden flatterten mit Senf und Tomatenketchup beschmierte Papierservietten. Am Nachmittag las ich, während Bernard schlief, die Zeitungen und machte mir Notizen über unsere Gespräche vom Vortag. Am Abend war er immer noch nicht sehr redselig. Ich ging wieder spazieren und trank um die Ecke ein Bier. Die Karnevalsstimmung setzte aufs neue ein, aber ich hatte genug gesehen. Nach einer Stunde war ich schon wieder in der Wohnung, und um halb elf waren wir beide eingeschlafen.

Unsere Flüge am folgenden Morgen, Bernards nach London und meiner über Frankfurt und Paris nach Montpellier, lagen nur eine Stunde auseinander. Ich hatte veranlaßt, daß einer von Jennys Brüdern ihn in Heathrow vom Flughafen abholen würde. Bernard wirkte lebhafter. Er hinkte durch das Abfertigungsgebäude in Tegel. Der Spazierstock, den er sich geliehen hatte, stand ihm gut, und er benutzte ihn, um einen Angestellten der Fluggesellschaft herbeizuwinken und ihn an den Rollstuhl zu erinnern, den er bestellt hatte. Bernard erhielt die Versicherung, er werde am Flugsteig bereitstehen.

Als wir zum Flugsteig gingen, sagte ich: »Bernard, ich wollte dich noch nach Junes Hunden fragen…«

Er fiel mir ins Wort. »Für deinen Lebensbericht? Ich will dir mal was sagen. Diesen ganzen Schwachsinn über die ›Konfrontation mit dem Bösen‹ kannst du vergessen. Religiöses Gefasel. Aber weißt du, ich war derjenige, der ihr von Churchills schwarzem Hund erzählt hat. Erinnerst du dich? Es ist der Name, den Churchill den Depressionen gab, an denen er hin und wieder litt. Ich glaube, die Wendung hat er von Samuel Johnson übernommen. June hat sich gedacht, wenn ein Hund eine persönliche Depression ist, dann sind zwei Hunde eine Art kultureller Depression, die Nachtseite der Zivilisation. Eigentlich gar nicht schlecht. Ich habe das Bild oft verwendet. Am Checkpoint Charlie ist es mir durch den Sinn gegangen. Es lag nämlich gar nicht an seiner roten Fahne, weißt du? Ich glaube nicht einmal, daß sie die gesehen haben. Hast du gehört, was sie geschrien haben?«

»Ausländer raus.«

»Genau, Ausländer raus. Die Mauer fällt, und alles tanzt in den Straßen, aber früher oder später…«

Wir waren am Flugsteig angekommen. Ein Mann in einer betreßten Uniform manövrierte den Rollstuhl hinter Bernard, und dieser ließ sich mit einem Seufzer nieder.

Ich sagte: »Aber danach wollte ich gar nicht fragen. Gestern habe ich meine alten Notizen durchgesehen. Als ich June zum letztenmal sah, trug sie mir auf, dich zu fragen, was dir der Bürgermeister von St.-Maurice-de-Navacelles über die beiden Hunde erzählt hat, als du an dem bewußten Nachmittag im Café saßt…«

»Im Hoˆtel des Tilleuls? Wozu diese Hunde abgerichtet worden waren? Das ist doch wieder typisch.



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