Schnee kommt by Bernhard Aichner

Schnee kommt by Bernhard Aichner

Autor:Bernhard Aichner
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2009-01-30T16:00:00+00:00


SUZA

Das Kind kam im Jänner.

Sie war gerade sechzehn geworden. Keiner hatte etwas gemerkt, sie hatte nichts gesagt, niemandem ein Wort. Dass etwas wuchs in ihr, dass ihr Bauch größer wurde. Sie wollte es selbst nicht wissen, zog sich weite Sachen an, zu große Pullover, sie trieb Sport, aß wenig, blieb schlank, ihr Baby wuchs. Keiner merkte etwas.

Der junge Mann, der in sie eingedrungen war, war tot. Für sie war es so. Er war der erste, der ihr wehgetan hatte, sie wollte ihn nicht, wollte ihn vergessen, so wie das Baby in ihrem Bauch. Es wuchs, sie sagte nichts, zu niemandem ein Wort. Sie wohnte bei ihren Eltern, sie wollte nicht, dass das alles passierte, sie stand vor dem Badezimmerspiegel und malte sich mit Lippenstift ein Kreuz auf ihren Bauch. Sie stand da, ihre Hände hingen einfach nach unten, sie schaute geradeaus in den Spiegel, sich an. Das rote Kreuz auf ihrem Bauch, immer bereit, sich umzudrehen, zu verschwinden von ihrer Haut, wenn die Mutter die Stiegen nach oben kam oder der Vater. Mit einem Wattebausch weggewischt, den Bauch unter einem Sweatshirt versteckt, alles verborgen, die Mutter angelacht, den Vater.

Bis zum Schluss wussten sie nichts. Sie schauten nicht hin.

Erst am Tag der Geburt. Die Mutter hielt das Kind, nachdem es aus ihr herausgekommen war, sie hatten es ihr in die Hand gedrückt, weil Suza es nicht wollte. Sie hatte die Hände vor ihr Gesicht gehalten, abwehrend, hatte geschrien, sie wollte es nicht, weinte, spürte das Loch in sich, schaute nicht hin, schrie. Die Hebamme drückte es ihrer Mutter in die Hände.

Sie hatte nichts gewusst, das Kind war plötzlich da, niemand hatte etwas gewusst, es war Suzas Geheimnis gewesen, sie hatte nichts gesagt, war allein damit gewesen. Sie wollte sich nicht anfreunden mit diesem Gedanken. Ein Kind. Suza, Mutter.

Da waren diese Bauchschmerzen am Tag der Geburt, alles tat ihr weh, sie flehte ihre Mutter an, ihr zu helfen, sie wusste, was passieren würde, sagte aber immer noch nichts. Sie konnte nicht. Die Mutter brachte sie in die Klinik und kurz danach hielt sie Suzas Kind, ein Mädchen, klein, verletzlich. Sie hielt es Suza hin, wollte es ihr auf den leeren Bauch legen, an den hysterischen Händen vorbei. Suza wollte es nicht, schrie ihre Mutter an, sie solle gehen und nicht wieder kommen, eindringlich. Weggehen, mit dem Kind.

Suza weinte lange. Sie hatten ihr dieses blutige Stück Fleisch aus ihrem Leib gezogen, sie hatten ihr wehgetan, es hatte sich hinausgezwängt aus ihr, verletzt, sie aufgerissen. Suza weinte. Ihre Mutter war wieder bei ihr, hielt ihre Hand, das Kind war irgendwo. Sie war so verständnisvoll, verlor kein böses Wort. Sie nahm es einfach hin.

Als der Arzt ihr gesagt hatte, dass ihre Tochter schwanger sei und gleich entbinden würde, hatte sie nur geschwiegen, Suza die Hand auf die Schulter gelegt und ihr etwas ins Ohr geflüstert, etwas Beruhigendes, Liebevolles. Suza hasste sie dafür. Dafür dass sie so perfekt war, dass sie immer alles richtig machte, immer Verständnis aufbrachte, nie ungerecht war oder launisch. Ihr zu entsprechen



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