Schnall dich an, sonst stirbt ein Einhorn!: 100 nicht ganz legale Erziehungstricks (German Edition) by Johannes Hayers & Felix Achterwinter
Autor:Johannes Hayers & Felix Achterwinter [Hayers, Johannes]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644524514
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-03-17T16:00:00+00:00
Von Henning (37), Fahrradladenbesitzer, für seine Tochter Beatrix (10)
Als Trixie ein Buch liest und sich dabei mal wieder mit Verve durch zehn ungewaschene Finger futtert, steht ihr Papa Henning vor seinem üblichen Dilemma: Wie damit umgehen? Was sagen und als Nervensäge abgetan werden? Bei Mama petzen und als uncool abgetan werden? Zur Tür rausmarschieren und nie wiederkommen? Oder nur die Tür öffnen und alle Nachbarn und Passanten Eintritt für das eklige Knack-Spektakel blechen lassen? Aber … hey, man könnte ja auch …! Henning grinst und fummelt sein Handy hervor. Dann drückt er auf Aufnahme und filmt heimlich mit.
Zwei Tage später ruft er seine Tochter in sein Arbeitszimmer. «Hey, Trix, guck dir das hier mal an», sagt er, und deutet auf den Bildschirm. Auf Youtube, Trixies Lieblingsseite nach Bieber-World, befindet sich ein Filmchen, das jemand mit «Careful! She bites!» untertitelt hat, was Henning Trixie mit «Vorsicht! Sie beißt!», übersetzt. Dann klickt er auf den Play-Button.
Trixie erkennt sich sofort wieder. «Das … das bin ja ICH!!!»
«Ja», sagt Henning stolz. «Und ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell so viele Klicks bekommen würdest!»
Er zeigt auf den Zähler, der bereits eine stolze 456212 anzeigt. Unter dem Video stehen Zuschauer-Kommentare wie «OMG, she’s so gross! What a complete waste of energy!», oder «She seems to be very hungry.»
«Du bist ein internationaler, viraler Erfolg, Schatz!», freut sich Henning.
Trixie läuft knallrot an, zu sehr vor den Kopf geschlagen, um in dieser Situation noch nervös an ihren Fingern herumzuknabbern. «Papa», stammelt sie verzweifelt und heiser, «ich bin doch da voll am Nägelkauen!»
«Na ja», sagt Henning, «ist mir irgendwie gar nicht aufgefallen. Wir kennen dich ja gar nicht mehr anders!»
Trixies Seele entfleucht ein Stoßseufzer tiefster Resignation. Eine Träne kullert einsam das Bäckchen hinab. Dann sprintet sie los, rennt in ihr Zimmer und schreit dabei «Alle können das sehen. Die ganze Welt! Alle werden mich auslachen!» Ihre Zimmertür knallt zu, und Trixie schreit noch mal: «Alle werden sie mich mobben! Ich bin am Ende! AM ENDE!!!»
Henning in seinem Arbeitszimmer nickt traurig. «Könnte sein!», sagt er zu sich selbst, «… wenn du Miley Cyrus wärst!» Er klickt mit der Maus auf die Ecke des Trixie-Nagelbeißer-Filmes und das punktgenau ausgerichtete Fenster seines Video-Players mit der vorher entfernten verräterischen Menüleiste (z.B. «Hide menue» beim Windows-Media-Player) schließt sich wieder. Darunter kommt jetzt das echte Youtube-Video zum Vorschein, das bereits über 450000 Klicks hat und das amerikanische Pop-Sternchen bei einem absurden Beiß-Angriff auf die Paparazzi zeigt. «Tut mir echt leid, Trixie! Aber deine Zähne und deine Fingernägel werden es dir irgendwann mal danken.»
Und tatsächlich, das tun sie, denn immer wenn sich Trixies Hand jetzt unbewusst in ihren Mund verirrt, schreckt sie plötzlich auf, blickt sich panisch um und lässt die Fingerchen schnell wieder sinken. Ihrem Papa hatte Trixie spätestens verziehen, als er sie darüber aufklärte, dass das nur ein fieser kleiner Scherz von ihm war.
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