Schleiermacher-Archiv Band 25: Friedrich Schleiermacher and the Question of Translation by Larisa Cercel and Adriana Şerban

Schleiermacher-Archiv Band 25: Friedrich Schleiermacher and the Question of Translation by Larisa Cercel and Adriana Şerban

Autor:Larisa Cercel and Adriana Şerban
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2015-06-15T00:00:00+00:00


Soll aber das Uebersetzen der Sprache und dem Geist der Nation dasjenige aneignen, was sie nicht, oder was sie doch anders besitzt, so ist die erste Forderung einfache Treue. Diese Treue muss auf den wahren Charakter des Originals, nicht, mit Verlassung jenes, auf seine Zufälligkeiten gerichtet seyn, so wie überhaupt jede gute Uebersetzung von einfacher und anspruchloser Liebe zum Original, und daraus entspringendem Studium ausgehen, und in sie zurückkehren muss. Mit dieser Ansicht ist freilich nothwendig verbunden, dass die Uebersetzung eine gewisse Farbe der Fremdheit an sich trägt, aber die Gränze, wo dies ein nicht abzuläugnender Fehler wird, ist hier sehr leicht zu ziehen. Solange nicht die Fremdheit, sondern das Fremde gefühlt wird, hat die Uebersetzung ihre höchsten Zwecke erreicht; wo aber die Fremdheit an sich erscheint, und vielleicht gar das Fremde verdunkelt, da verräth der Uebersetzer, dass er seinem Original nicht gewachsen ist. Das Gefühl des uneingenommenen Lesers verfehlt hier nicht leicht die wahre Scheidelinie. (Humboldt 1816, 83)

Schleiermacher hatte betont, der Interpret müsse zum einen über ein gediegenes Wissen über die Sprache des Textautors verfügen, zum Beispiel durch Werkanalyse, und zum anderen ein Wissen über dessen äußeres und inneres Leben erwerben, also einen Einblick in dessen Lebenswelt gewinnen. Die Aufgabe sei auch so auszudrücken: „die Rede zuerst eben so gut und dann besser zu verstehen als ihr Urheber“ (Schleiermacher 2012, 128). Dies gab damals Anlass zu der historisch-kritischen Bibelforschung zum Zweck der Rekonstruktion des Entstehungshorizonts von Texten. Heute wird dies fortgesetzt in der interkulturellen Forschung, die für ein adäquates Übersetzen als unabdingbar gilt (Krysztofiak 2010, 7). Damals entstand auch die vergleichende Sprachwissenschaft, welche von der Unterschiedlichkeit der Kulturen ausging, dies allerdings in linguistischen Strukturen verortete. So ist Schleiermachers Bedeutung für die Entwicklung der Hermeneutik und einer hermeneutischen Übersetzungswissenschaft zentral: „Was ehemals als Unterdisziplin der Theologie und der ihr verwandten Geisteswissenschaften galt, wird nun als eigenständige philosophische Disziplin vorgestellt, unverzichtbar für alle Menschen, die den sprachlichen Ausdruck eines anderen Menschen als Text würdigen und verstehen möchten“ (Jeanrond 2009, 87).



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