Schicksalstage auf der Enzianhütte by Doris Strobl

Schicksalstage auf der Enzianhütte by Doris Strobl

Autor:Doris Strobl [Strobl, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783475545122
veröffentlicht: 2015-09-18T16:00:00+00:00


»Geht es da zur Nikolaushütte?«

»Ja, gleich hinter der nächsten Kuppe«, sagte Ludwig.

»Komischer Name«, meinte der Herr verwundert. »Was hat der Heilige Nikolaus mit einer Hütte zu tun?«

Ludwig erklärte: »Er ist der Patron der Schnapsbrenner.«

»Aha, das wusste ich nicht«, rief der Wanderer verblüfft. »Welcher Schnaps wird denn hier oben hergestellt?«

»Enzian«, informierte ihn Ludwig.

»Oh«, bekam er zur Antwort. »Das ist sicher ein mühsames Geschäft?«

»Allerdings«, bestätigte Ludwig. »Ist viel Aufwand. Mein Enkel und ich tun es aber gern, und das schon seit vielen Jahren.«

»Sie Glücklicher«, rief der Mann. »Meine Enkel lassen sich nicht mal bei mir blicken.«

Ludwig kratzte sich über die Bartstoppeln. »Kommt auch darauf an, wie wir Alten auf die Jungen zugehen, oder?«

Der Wanderer nickte. »Jetzt haben Sie mir etwas zum Nachdenken mit auf den Weg gegeben.«

Tobias dachte oft an Katrin, und der Ärger über Lena rückte immer mehr in den Hintergrund. Täglich stieg er eine Viertelstunde zur Tannengruppe hinunter. Er hatte herausgefunden, dass er dort einen besseren Empfang hatte, um die Kurznachrichten, die ihm Katrin schickte, zu lesen.

Eifrig schrieben sie jeden Abend hin und her. Tobias merkte, dass er den ganzen Tag dem kurzen Austausch mit ihr entgegenfieberte. Es dämmerte ihm, dass er wesentlich mehr für sie empfand als reine Sympathie.

An einem Sonntag sah er Katrin auf die Hütte zukommen und spürte, wie ihn ein wohliges Glücksgefühl übermannte. »Katrin!«, schrie er ihr freudig entgegen und winkte. Er lief ein Stück auf sie zu, strahlte sie an, und während er sie spontan stürmisch umarmte, rief er: »Wie schön, dass du uns besuchst. Da wird sich der Opa freuen.«

Sie grinste neckisch. »Soso, der Opa – und du?«

»Ich mich auch – ist doch klar!«, bestätigte er und trat einen Schritt zurück. »Lass dich anschauen!«, bat er und musterte sie aufmerksam. Sie lächelte, und er stellte fest: »Du siehst gut aus, obwohl du mir ein bisserl dünner vorkommst.«

Sie gab zurück: »Wenn ich Sorgen hab, krieg ich keinen Bissen runter.«

Er nahm sie sanft am Arm, während sie zur Hütte gingen. »Was ist los?«, wollte er wissen.

Sie seufzte: »Seit drei Wochen warte ich, dass mir der Rother endlich den Mietvertrag zuschickt. Es passiert nichts. Er vertröstet mich immer wieder. Ich hab doch fest mit der Wohnung über dem Laden gerechnet. Nächste Woche muss ich aus der Ferienwohnung ausziehen; sie ist bereits an neue Gäste vermietet. Ich bin im ganzen Ort rumgelaufen, aber es ist kein Zimmer zu bekommen.«

Inzwischen hatten sie die Hütte erreicht, und Ludwig begrüßte Katrin mit einem herzlichen Handschlag. Er bot ihr einen Platz auf der Bank an. »Was magst denn trinken?«, wollte er wissen.

»Wasser, Milch, Kaffee?«

»Bitte einen Kaffee«, bat Katrin. Sie nahm den Rucksack ab, öffnete ihn und zog zwei Plastikdosen heraus. Die reichte sie Tobias mit den Worten: »Eierlikör- und Mandelkuchen.«

»Oh, prima«, freute sich Tobias. »Ich hole gleich ein Messer und Teller.«

Als sie gemütlich zusammensaßen und Katrins köstlichen Kuchen gebührend lobten, fragte Ludwig: »Was hab ich da vorher aufgeschnappt, du brauchst ein Zimmer? Ich dachte, du ziehst in die Wohnung über dem Bäckerladen?«

Katrin zog die Schultern hoch und berichtete ihm, dass sie immer noch keinen Mietvertrag in Händen hielt.



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