Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan by Christine Liew

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan by Christine Liew

Autor:Christine Liew [Liew, Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Dryas Verlag
veröffentlicht: 2013-07-28T22:00:00+00:00


Und ewig rattern die Kugeln

„Nein, das kannst du vergessen. Da gehe ich nicht mit dir hin.“ Brüsk schiebt Emi, meine sonst so sanfte Freundin aus Uni-Tagen, ihren Kaffee von sich weg. „Wenn du unbedingt in eine Pachinko-Halle willst, dann bitte ohne mich!“

Trotzig schaut sie mich über den kleinen Tisch im Café an. Ihre ungewohnt heftige Reaktion macht mich sprachlos. Ich hatte doch nur ganz beiläufig vorgeschlagen, später mal in einer Spielhalle vorbeizuschauen und so einen Pachinko-Automaten auszuprobieren. Das hatte ich nämlich noch nie gemacht. Zu zweit wäre das doch sicherlich lustig, hatte ich noch hinzugefügt. Nun schweigen wir beide erst einmal. Ich wühle verlegen in meiner Tasche auf der hektischen Suche nach einem neuen, möglichst neutralen Gesprächsthema. Bis Emi mich schließlich erlöst: „Es tut mir leid, Christine-san“, als korrekte Japanerin entschuldigt sie sich erst einmal, „ich kann das einfach nicht. Es ist wegen meines Vaters.“

Zögernd beginnt sie zu erzählen. An diesem sonnigen Morgen erlaubt mir Emi einen Blick hinter die Fassade ihrer Familie, einer ganz gewöhnlichen japanischen Familie übrigens. Mit Vater, Mutter und zwei Kindern – und halt Vaters großer Leidenschaft, dem Pachinko-Spiel.

„An manchen Tagen kann mein Vater einfach nicht widerstehen. Wenn es ihn überkommt, muss er spielen. Er macht erst Schluss, wenn die Taschen leer sind. Aber das kann dauern, denn die Automaten spucken regelmäßig ein paar Kugeln zum Weiter-daddeln aus.“

Pachinko ist eine Art japanisches Flippern. Offiziell gewinnt man nur harmlose Kugeln, inoffiziell geht es, wie immer beim Glückspiel, um Geld. Auch wenn das in Japan verboten ist.

„Als ich ein Kind war, spielte Vater regelmäßig nach Feierabend. Die langen Sonntage zu Hause hielt er kaum aus. Meist verschwand er um die Mittagszeit. Wenn er dann abends mit rot geränderten Augen wieder auftauchte, brachte er uns manchmal Spielzeug mit. Das gefiel uns natürlich, aber Mutter wollte das Zeug nicht. Sie war wütend, nicht wegen des verspielten Geldes. Sie erlaubte ihm ja nur ein Taschengeld. Aber die Zeit!, Nie hast du Zeit für uns‘, schrie sie dann., Immer nur deine verdammten Automaten!‘ Das hat uns früher ganz schön die Wochenenden verdorben.“

Die Erinnerungen bedrücken Emi. Heute ist Emis Vater pensioniert, manchmal geht er schon morgens zur Spielhalle. Emis Mutter hat resigniert, ihr Mann ist kein Sonderling oder gar Einzelfall. Exzessives Pachinko-Spielen gilt in Japan als akzeptables Hobby und wird auch kaum verheimlicht. Eine pathologische Spielsucht sehen nur die wenigsten darin, und professionelle Hilfe ist leider so gut wie unbekannt.

Schon oft habe ich morgens die Schlangen am Bahnhof vor der Pachinko-Halle gesehen. Geduldig warten Rentner, solide Hausfrauen und eine paar Männer in Anzügen auf das Öffnen der gläsernen Schiebetüren. All diese japanischen Durchschnittsbürger vereint die Sogkraft des einfachen Glückspiels. Spielsucht kennt bekanntlich keine Grenzen, auch in Deutschland lassen sich die Menschen vom Flippern verführen. Doch verabrede ich mich kaum, wie hier üblich, mit meinen Kollegen oder den Frauen aus dem Volkshochschulkurs am Spielautomat. Dann schon eher mal zu einem schicken Abend im Spielkasino mit vorgeschriebener Abendgarderobe. Diese Art von Unterhaltung ist in Japan jedoch verboten. Legal spielen kann man hier also nur in



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.