Schönsprech by Schlüter Reinhard
Autor:Schlüter, Reinhard [Schlüter, Reinhard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Riemann Verlag
veröffentlicht: 2015-04-18T16:00:00+00:00
3. Vom Extremnutzer zum Intensivtäter
Der Bürokrat als Sprachschöpfer
In jener Zeit, als die katholische Kirche noch direkten Anteil an der weltlichen Macht hatte (und zum Beispiel drei der sieben Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reichs beherrschte), diente die lateinische Sprache unter anderem dazu, die Masse der Gläubigen vom vorzugsweise in Latein schriftlich überlieferten »Wissen« fernzuhalten und damit die Machtbasis des Klerus zusätzlich zu zementieren. Einen ähnlichen Effekt, die Mehrheit der Bevölkerung durch Sprache von sogenanntem »Herrschaftswissen« abzuschirmen, kennen wir heutzutage unter anderem aus der Medizin, der Rechtswissenschaft, der Volks- und Finanzwirtschaft, der Informationstechnologie (IT) sowie – last, but not least – aus der Bürokratie.
Während der Medizin- und Rechtsjargon (vom französischen jargon für »unverständliches Gemurmel«) mehrheitlich aus der griechischen und lateinischen Sprache abgeleitet wurde, rekrutiert sich das IT-, wirtschafts- und finanztechnische Vokabular aus dem Angloamerikanischen. Allein die deutsche Bürokratie pflegt ihre Begriffskonstrukte meist allein aus dem deutschen Wortschatz zu bilden. Die dabei benutzte Technik, vertrautes Vokabular in einen völlig neuen Sinnzusammenhang zu stellen, führt bei der großen Mehrheit der Bürger indes meist weniger zum Unverständnis als vielmehr zum (beabsichtigten) Missverständnis. Wer würde schon hinter dem »Entsorgungspark« eine Müllkippe vermuten – oder hinter der »Zusammenklang« verheißenden »Harmonisierung« das Abstimmen von Gesetzesmaßnahmen zu Lasten der Bürger? Wer nach weiteren Beispielen sucht, wie »Herrschaft« durch Sprache bis zur Unkenntlichkeit verblendet wird, wird in den folgenden Abschnitten vielmals fündig.
Armutszuwanderung
Wortschatzportale haben den Vorteil, dass man mit ihrer Hilfe annähernd genau zurückverfolgen kann, wann ein Begriff erstmals im öffentlichen Sprachgebrauch auftaucht. So erschien etwa das Kompositum »Armutszuwanderung« erstmals am 14. Februar 2013 in einem Positionspapier des Deutschen Städtetags: »Der Deutsche Städtetag fordert Bund und Länder sowie die Europäische Union auf, sich intensiver mit der Armutszuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien zu befassen.« Hintergrund war die für den 1. Januar 2014 beschlossene Möglichkeit für EU-Bürger aus ebenjenen Ländern, sich in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis um Jobs zu bemühen. Als hätten Politik und Leitmedien nur darauf gewartet, hielt der Begriff »Armutszuwanderung« unmittelbar in den öffentlichen Sprachgebrauch Einzug. Schneller als bei den meisten anderen Neologismen nahm auch der Duden die Armutszuwanderung in seinen Wortschatz auf. Die CSU führte im Frühjahr 2014 mit dem Schreckbegriff ihren Europawahlkampf (und scheiterte). Und im August ließ die Bundesregierung durch ihren Sozialstaatssekretär Jörg Asmussen (SPD) verkünden, dass sie gewillt sei, »die Armutszuwanderung in die deutschen Sozialsysteme entschlossener« einzudämmen. Liest man indes die Zahlen, so lebten im Sommer 2014 rund 465000 Rumänen und Bulgaren in Deutschland. 51000 von ihnen waren seit dem 1. Januar 2014 nach Deutschland eingewandert – darunter, wie Asmussen einräumt, mehrheitlich »Hochqualifizierte«. Hält man die Zahl der (Armuts?-)Auswanderer aus Deutschland dagegen (2013: 789193), so entpuppt sich das Getöse mehr oder weniger als »Sturm im Wasserglas«.
attraktive Preise
Wer als Einzelhändler wissen wollte, was man unter attraktiven Preisen zu verstehen habe, konnte dies in einer kurz nach der Euro-Einführung 2002 herausgegebenen Studie des Statistischen Bundesamts nachlesen. Attraktiv seien demnach sogenannte »glatte« Preise, die auf null oder fünf enden (zum Beispiel 3,10; 4,15; 5,20 oder 6,35), desgleichen auf acht oder neun endende »Schwellenpreise« (zum Beispiel 3,99 statt 4,–). Kaum
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