Sankt Nikolaus in Not by Timmermans Felix

Sankt Nikolaus in Not by Timmermans Felix

Autor:Timmermans, Felix [Timmermans, Felix]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Winter und Sommer steht er nach dem Mittagessen um ein Uhr vor der Tür. Er zeigt sich den Arbeitern, die auf die Arbeit gehn. Herausfordernd steht er da, die Hemdsärmel aufgerollt bis oben hin, wo man ihn geimpft hat, die haarige Brust entblößt.

Er wartet nur darauf, daß ihn einer mal schief angucken soll, um ihm dann eine runterzuhauen, daß man ihn drüben zum Apotheker tragen muß.

Aber niemand guckt ihn schief an. Und das ist sein Ärger, daß er nicht kämpfen, daß er nur am stummen Teig seine Kraft auslassen kann.

Er möchte zwei, drei volle Mehlsäcke auf einmal durch die Stadt tragen, um zu zeigen, was er kann, aber er kriegt zur Zeit nur einen von der Mühle.

In jedem Augenblick des Tages erweist sich seine Kraft als ein verfluchter Zwang. Ach, könnte er sie nur zusammenquetschen im Ringen, Boxen, Schlag um Schlag, Gewichte heben! Er wäre ein großer Mann, und die Zeitungen würden in großen Buchstaben über Ambiorix berichten.

Jetzt ist er ein kleiner Bäcker mit einem halben Ofen Brot, der von morgens bis abends schuften muß, um arm zu bleiben. Berühmt werden um seine Stärke, das ist sein Verlangen, seine Sehnsucht, die Leere seines Lebens!

Wenn er vor dem Spiegel steht und seinen Bizeps anschwellen läßt, dann weiß er wohl, daß jetzt alles zu spät ist, er bekommt schon graue Haare und wird wohl Bäcker bleiben müssen.

Aber es soll in der Familie bleiben. Sein Söhnchen möchte er im Boxen erziehen, um aus ihm einen echten Ambiorix zu machen. Aber das Kerlchen ist so dünn wie ein Pfeifenrohr und heult schon, wenn ein anderer Junge mit dem Finger auf ihn zeigt. Und das ist wieder ein Ärger in seinem Leben, und wegwerfend sagt er: „Mein Apfel fällt weit von meinem Stamm.“

Ambiorix hat von dem großen Ringer gelesen. Seine Gedanken bersten davon. Er ist eifersüchtig. Während er den Teig im Trog bearbeitet, sieht er wie eine Vision den viereckigen Trichter mit tausend Menschen, gespannt aus dem Dämmerlicht auf die Mitte blickend, wo unter einem Zelt von weißem Licht nackte, muskelstarke Leiber einander umklammern. Im ganzen Saale hört man nur das Keuchen der beiden Ringer und das Klatschen ihrer Hände auf dem nackten Fleisch.

Aber der stärkste ist nicht der große Ringer, über den jetzt alle Zeitungen berichten. Es ist Ambiorix in eigener Person!

Er sieht sich selber dort stehen; auf seinen Rücken klatscht man, seine Hände sind es, die den anderen umschlingen, o so heftig! Die Armballen schwellen, die Muskeln seufzen und krachen, die Schenkel klappern, die Adern wollen springen, und der Bauch legt sich in Knoten wie ein Blumenkohl, aber er läßt nicht locker, und klatsch! er ist es, der den andern mit einem Knall und Knochenkrachen auf den Rücken niederklebt! Bravo!

Ein orkanartiger Applaus bricht los, Hüte werden geschwenkt, Blumen fallen ihm vor die Füße, Berichterstatter und Photographen umringen ihn, es gibt ein Siegesfestmahl mit laut herausgekrähten Ansprachen und einen Triumphzug mit Musik in einer geschmückten Straße mit vielen Lichtern vor den Fenstern. Und Ambiorix dankt, und von der hohen Treppe des Rathauses herunter will



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