Samsara by Dörrie Doris

Samsara by Dörrie Doris

Autor:Dörrie, Doris [Dörrie, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257603873
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2015-01-11T05:00:00+00:00


[193] Alpais 1572

Als ich bei Anna einzog, habe ich mein Bett an der Tür eingerichtet, sie schlief am Fenster. Ich kam zu ihr, damit ich nachts aufstehen und ihr helfen könnte. Sie hatte oft furchtbare Schmerzen am Herzen und am ganzen Körper, aber wenn ich meine Hand auf ihr Herz legte, wie sie es mir sagte, dann beruhigte sie sich schnell. Ich spürte die Schmerzen in ihrem Herzen wie einen Dolch. Kaum nahm ich meine Hand weg, dann wand sie sich so, daß sie oft aus dem Bett fiel.

Das ging so jede Nacht. Tagsüber schien sie keine Schmerzen zu haben, aber sie konnte ihr Bett nie verlassen, weil sie wie gelähmt schien. Nachts kamen Männer zu ihr, um sie zu schlagen, wie sie sagte. Halt mich fest, halt mich fest! schrie sie dann, und ich mußte sie fest umarmen.

Sie erzählte mir nie genau, was mit ihr geschah, wenn die Männer kamen, aber wenn sie diese Schmerzen hatte, dann kam ein schrecklicher Schwefelgestank aus ihrem Mund, und sie murmelte wieder und wieder, daß sie niemandes Braut sein wolle außer die Seine.

Am zweiten Freitag in der Passionszeit um die zweite oder dritte Stunde in der Nacht hörte ich sie wieder stöhnen, und ich richtete mich schon auf, um zu ihr zu gehen, da sah ich, wie sich ihr Körper unter dem Laken plötzlich [194] aufbäumte, und sie rief: Ich verdiene es nicht, ich bin eine Sünderin.

Sie wurde stocksteif und reagierte nicht auf meine Berührungen, und als ich das Laken zurückschlug, sah ich rote Rosetten auf ihren Füßen und ihren Händen und eine tiefrote Stelle an ihrer Seite. Aus ihren Haaren lief Blut über ihre Stirn.

Ich holte sofort die Äbtissin und die Mutter Oberin.

Schon am übernächsten Tag kam der Propst, ein großer, hagerer Mann, dessen Gesicht sich nicht bewegte, wenn er sprach, so daß man manchmal glaubte, man hätte sich nur eingebildet, daß er etwas gesagt hatte. So mußte er auch wiederholen, daß alle Annas Zelle verlassen sollten, selbst die Äbtissin, nur ich durfte bleiben und der Schreiber, der sich sofort in eine Ecke zurückzog. Ich mußte Anna ausziehen, und es fiel mir auf, daß sie ihre Glieder besser bewegen konnte als in all der Zeit zuvor.

Sie wirkte glücklich, ihr Gesicht glühte, sie lächelte, sprach aber nichts. Der Propst befahl mir, sie mit warmem Wasser abzuwaschen, das getrocknete Blut von ihren Füßen und Händen, von ihrer Seite und ihrem Kopf. Er wandte sich ab, bis ich ihm sagte, daß Anna jetzt vollständig nackt sei. Ihre Haut war gelblich wie eine Quitte, sie roch nach kaltem Schweiß, ihre Brüste waren winzig und verschrumpelt wie zwei Dörrpflaumen, ihre Rippen und Hüftknochen stachen weit hervor.

Der Propst bedeutete, Anna solle ihren Fuß auf den Stuhl stellen. Er beugte sich tief darüber, tippte mit dem Finger auf ihre Wunde und fragte sie, ob sie ihre Füße [195] übereinandergelegt habe, als sie die Zeichen bekommen habe, und sie antwortete mit sanfter Stimme, nein, sie sei in dieser Stellung gewesen, ohne es zu merken.

Es ging ihr so gut wie schon



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