Salz auf unserer Haut by Benoite Groult

Salz auf unserer Haut by Benoite Groult

Autor:Benoite Groult [Groult, Benoite]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-30T17:00:00+00:00


VIII VÉZELAY

Ich war im Begriff, Gauvain zu heiraten. Der Empfang sollte im großen Salon meiner Eltern in Paris stattfinden, inmitten der Kunstwerke und der Sammlerobjekte meines Vaters, die ich überhaupt nicht erkannte. Das Haus hatte Ähnlichkeit mit einer schnörkelüberladenen italienischen Barockkirche! Jemand zeigte Gauvain der Reihe nach die interessantesten Werke und sagte: »Können Sie sich vorstellen, was eine Vase wie diese hier kosten mag? Oder diese Skulptur? Dieses Bild? Nahezu zwanzigtausend Dollar!«

»Was? Dieser Schinken da?« antwortete Gauvain empört. Er kannte zwar den Dollarkurs nicht, aber er war empört und immer fester überzeugt davon, daß die Kunst nichts als ein großes, von Snobs hochgeschaukeltes Verbrechergeschäft war.

Er trug einen Anzug, aber auf dem Kopf hatte er noch seine Seemannsmütze, und es gelang mir nicht, bis zu ihm vorzudringen, um ihm zu sagen, daß er sie abnehmen sollte. Die Gäste lachten heimlich über ihn. Ich sagte mir immer wieder: Wenn wir uns scheiden lassen, wird er die Hälfte dieser Schinken, die er verabscheut, bekommen! Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, ihn zu heiraten? Außerdem rauchte er eine kleine Pfeife mit geschnitztem Kopf, was ihn auf lächerliche Weise zum Seebären stempelte, und ich dachte mir: Ach merkwürdig, ich wußte nicht, daß er Pfeife raucht, davon hat er mir nichts gesagt, vorher! Und plötzlich setzte er sich dann hinter mich ‒ ich hatte mich auf ein Rundkissen ganz hinten im Salon gerettet ‒ und lehnte meinen Kopf so zärtlich an seine Brust, daß ich dachte: Ach so, jetzt erinnere ich mich wieder. Deshalb habe ich ihn geheiratet. Genau deswegen.

Aber ich fand es nach wie vor lächerlich, zu heiraten. Was für eine absonderliche Idee in unserem Alter, es würde doch genügen, wenn wir ganz einfach zusammenlebten!

Es geschahen noch eine ganze Menge anderer Dinge im Verlauf dieser Hochzeit; ich traf Freunde, die alle sehr erstaunt waren über meinen »Verrat«. Ich könnte unzählige Details aufzählen, aber sowie sie mir in den Sinn kommen, verlieren sie auch schon jeglichen Reiz, wie das bei den meisten Träumen der Fall ist, was auch immer die Träumer davon halten mögen. Ich werde von Panik erfaßt, wenn mich eine Freundin anruft und mir sagt, sie habe einen unglaublichen Traum gehabt in der vergangenen Nacht, sie müsse ihn mir unbedingt kurz schildern, und ich würde verblüfft sein. Das bedeutet mit Sicherheit, daß ein langatmiger Bericht voller unbedeutender Episoden und einschläfernder Beschreibungen auf mich zukommt, denen die Träumerin außergewöhnliche Bedeutung beimißt und die sie für absolut unentbehrlich hält zum Verständnis. »Es war bei mir zu Hause, und gleichzeitig erkannte ich überhaupt nichts… Du weißt schon, was ich meine«… oder »Ich flog durch die Luft über die Stadt, als ob es das Natürlichste von der Welt wäre, verstehst du? Und du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie glücklich es mich machte…«

Aber ja doch, natürlich versteht man, natürlich kann man sich vorstellen. Wir sind alle schon mal geflogen im Traum, wir haben alle schon mal unser Haus verlassen und haben drum herum eine fremde Stadt entdeckt. Außer in seltenen Ausnahmefällen ist das alles von ganz



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