SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms by Mary Beard
Autor:Mary Beard [Beard, Mary]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104031446
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Dass ein römisches Mädchen mit 14 oder 15 Jahren zum ersten Mal heiratete, war nichts Besonderes. Tullia wurde mit elf Jahren mit ihrem ersten Mann verlobt und heiratete ihn mit 15; als Cicero 67 v. Chr. seinem Freund Atticus schrieb: »Die kleine Tullia habe ich mit C. Piso, dem Sohn des L. Frugi, verlobt«, war »klein« durchaus wörtlich zu verstehen.[294] Atticus nahm schon zukünftige Ehemänner unter die Lupe, als seine Tochter erst sechs Jahre alt war. Von der Oberschicht mag man erwarten, dass sie solche Verbindungen frühzeitig arrangierte. Es gibt jedoch zahlreiche Belege von den Grabinschriften einfacher Leute, dass Mädchen mit 14 oder 15, gelegentlich sogar schon mit zehn oder elf Jahren verheiratet wurden. Ob es zum Vollzug dieser Ehen kam, ist eine heikle Frage, die sich nicht beantworten lässt. Andererseits heirateten Männer in der Regel offenbar mit Mitte bis Ende zwanzig zum ersten Mal, wobei der übliche Altersunterschied zwischen den Eheleuten etwa zehn Jahre betrug. Manche jungen Bräute wurden jedoch mit einem weitaus älteren Mann verheiratet, für den es die zweite oder dritte Ehe war. Trotz der relativen Freiheit römischer Frauen erwuchs ihre Unterordnung sicher aus dem Ungleichgewicht zwischen einem erwachsenen Mann und einer Braut, die wir als Kind bezeichnen würden.[295]
Aber ein Altersunterschied von 45 Jahren erregte selbst in Rom Aufsehen. Warum hatte Cicero das getan? Ging es nur um Geld? Oder war es die lächerliche Vernarrtheit eines alten Mannes, wie Terentia behauptete?[296] Tatsächlich fragten ihn manche rundheraus, warum um alles in der Welt er in seinem Alter eine Jungfrau heiratete. Am Tag seiner Hochzeit soll er darauf geantwortet haben: »Morgen ist sie schon eine Frau.«[297] Der antike Kritiker, der diese Antwort zitierte, fand sie eine brillante und geistreiche Art, Vorwürfe abzuwehren, und empfahl sie als bewundernswert. Wir würden sie eher in ein Spektrum zwischen unangenehm derb und schmerzlich trostlos einstufen – ein eindrucksvoller Gradmesser für die Distanz zwischen der römischen Welt und der unseren.
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