Russisches Abendmahl by Brent Ghelfi

Russisches Abendmahl by Brent Ghelfi

Autor:Brent Ghelfi
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2011-11-21T00:18:04+00:00


Posnowa bleibt eine Stunde lang bewusstlos. Ich nutze die Zeit und fessle sie mit den Enden ihrer Kleidungsstücke an einen Stuhl. Sie läuft schon blau um die Augen an, wahrscheinlich weil ich ihr Gesicht so stark gegen meine Brust gedrückt habe. Die Pupillen sind vor Schock geweitet. Sie starrt mich an, als wäre ich der Teufel persönlich.

»Erzählen Sie mir von Lipman.«

Als sie die Lippen bewegt, platzen dünne blutige Risse auf. Seit sie in meiner Gewalt ist, hat sie nichts gegessen und nichts getrunken. Ich brauche weder Wasser noch Essen, und ihr Wohlergehen ist mir mehr als egal.

»Ich habe ihn in Zürich kennengelernt. Vor drei Jahren. Kann ich bitte Wasser haben?«

Vielleicht bin ich ein besserer Mensch geworden. Oder die Hoffnung auf Valjas Genesung hat mich weicher gemacht. Früher hätte ich ihr die Zähne eingeschlagen, als kleine Lektion in Sachen Reaktionsfreudigkeit. »Nein. Ich will mehr über Lipman wissen.«

»Ich brauchte Hilfe, um glaubwürdige Provenienzen für gefälschte Kunstwerke, die meist von unbekannten Künstlern stammten, erstellen zu können. Rolf war einverstanden.«

»Leonardo da Vinci ist kein unbekannter Künstler. Und Pissarro auch nicht.«

Ihre Augen sprühen blaue Funken voller Trotz. »Leda und der Schwan ist keine Fälschung!«

In dem Punkt sind wir uns einig. »Wie lange machen Sie das schon?«

»Kunst fälschen?«

Ich nicke.

»Vier Jahre. Die Kommunisten haben private Sammlungen beschlagnahmt - seit der Revolution und durch beide Weltkriege hindurch. Die Herkunft der Werke haben sie dabei oft durcheinandergebracht, teils absichtlich, teils aufgrund schlechter Verwaltung. Und was im Laufe der Zeit an Kunstwerken in die Sowjetunion gekommen ist und sie wieder verlassen hat, ist, nun ja …« Ein Schimmer ihres Magazinlächelns bricht durch den Schmerz und die Angst. Sie zieht eine Augenbraue hoch und benutzt ein Wort, von dem ich mich erinnere, dass Lipman es benutzt hat. »Undurchsichtig.«

Es ist ein Wunder, dass wir uns nicht früher begegnet sind. Der Kader des Generals hat mit Fälschungen angefangen, bevor wir beschlossen, uns auf echte Gemälde zu verlegen, weil wir darin die einzige Möglichkeit sahen, auf lange Sicht Gewinne zu machen. Wir brachten die gesamte russische Kunstgeschichte zur Versteigerung, um ihre Wiedergeburt in Gang zu bringen. Selbst mit Hilfe unserer illegalen Machenschaften blieben die Gewinne lächerlich gering. Wenn man sämtliche Schwarzmarktgewinne in Russland in einen Topf werfen würde, könnte man das Land vielleicht zum Wohlstand führen, aber so wie es jetzt ist, kämpfen wir gegen Windmühlen an.

»Ich habe Rolf nach St. Petersburg gebracht und ihm den Job in der Eremitage besorgt«, fährt sie fort.

»Wie hat er die Leda entdeckt?«

Ein Leuchten flackert in ihren Augen auf, als wäre ihr ein Gedanke gekommen.

»So wie er es Ihnen beschrieben hat. Versteckt unter dem Mignard.«

»Wo ist Lipman jetzt?«

Sie braucht zu lange für die Antwort.

Ohne Vorwarnung greife ich in ihr üppiges Haar und reiße so kräftig daran, dass sie mit samt dem Stuhl vom Boden abhebt. Die Haut auf ihrem Gesicht zieht sich zusammen, und statt einem Schrei stößt sie nur ein leises Ächzen aus.

»Wenn sie nachdenken, lügen Sie«, sage ich und lasse sie fallen.

Sie hält den Kopf gesenkt und schluchzt wie ein geschlagenes Kind. Ich laufe auf und ab wie ein hungriger Löwe in einem kleinen Käfig.



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