Ruß: Roman by Feridun Zaimoglu
Autor:Feridun Zaimoglu [Zaimoglu, Feridun]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-24T16:00:00+00:00
Nein.
Ist dir kalt?
Noch nicht, sagte Renz.
Das ist eigentlich eine Sommerdecke. Sie fängt schon an zu riechen. Das Bettzeug habe ich nach Duisburg mitgenommen. Und noch ein paar Kleinigkeiten.
Was genau?
Interessiert es dich wirklich?
Ja, sagte Renz.
Sein ganzer Werkzeugkasten ist bei mir im Keller. Seine Schreibtischschubladen habe ich geplündert. Briefpapier, Umschläge, Papierscheren. Schöne alte Briefbeschwerer. In seinen schwarzen Morgenrock kuschele ich mich morgens. Für die Schreibtischlampe hatte ich auch Verwendung. Ein paar Kerls aus der Straße haben mich gefragt, ob ich ne Haushaltsauflösung mache. Hab ich nicht gemacht. Gibt man ja nicht weg, was dem Vater gehört hat. Doch, das muffige Zeug hab ich weggeschmissen. War nicht mehr zu retten.
Was für ein Zeug?
Taschen und Täschchen. Nippes für den Setzkasten. Ach ja, die Regenschirme hab ich auch zum Müll getragen. Waren alle kaputt. Und du?
Na ja.
Ist auch egal, sagte Marja.
Alles.
Wirklich?
Eckart kam mit zwei Freunden. Sie haben all ihre Sachen mitgenommen.
Du wolltest nichts behalten?
Nein, sagte Renz, ich gab ihre Sachen weg.
Und, hat es geholfen?
Wobei?
Beim Weiterleben, sagte sie.
Wir liegen zusammen und reden über die Toten.
Dann sprechen wir über Hüftgymnastik.
Was?
Alle Frauen, die ich kenne, ob jung oder alt, machen Hüftgymnastik. Anna auch. Anna ist hübsch, sie hat viele Lippenstifte, aber keinen Freund. Also macht sie zu Hause Sport. Sie trainiert auf vollschlank, und ich habe ihr gesagt: Man kann der Hose nicht vorwerfen, dass sie keine Jacke ist. Du musst dir aber keine Sorgen machen.
Ich gehe nicht nach der Meinung der Männer, sagte sie wütend und schlug mit der Faust auf die Decke.
Mein Gott, sagte Renz, meine Güte.
Was tust du?
Ich stehe auf.
Hast du genug von mir?
Du bist empfindlich, sagte Renz, ich bin es nicht.
Er ging ins Nebenzimmer, rauchte, horchte auf Geräusche. Um Erlaubnis hatte er nicht gefragt, Tabakgilb klebte an den Spanten der Modellschiffe, vielleicht war das Holz auch mit der Zeit nachgedunkelt. Marja hatte wahrscheinlich alles beim Alten belassen, in diesen Räumen ging aber kein Geist um. Er roch an seinen Fingern, seine Hand roch nach ihrem Schweiß. Sie rührte sich nicht im Bett, er hörte nur Straßenlärm, er hörte eine Frau im Haus schwer husten, er schaute dem Qualm nach.
Marja rief: Trinkst du die Weinflasche leer?
Nein, sagte er, ich rauche.
Ihre Wut war verraucht, sie klang klar. Es wäre lächerlich, einen Ausflug zu unternehmen. Sie waren nicht verheiratet, sie hatten keine Kinder, sie waren nicht aufeinander angewiesen. Wenn sie ihn hinauswarf, würde er sich in einem Hotel einquartieren. Renz hielt das Zigarettenende in den Wein im Glas, ging in die Küche, warf die Zigarette in die Mülltüte, spülte die Teller und Gläser sauber. Er horchte auf einen Laut, stand nackt in der Küche, fror. Er ging zurück, sie schlief nicht, er war ihr dafür dankbar, er kroch unter die Decke und schmiegte sich an ihren Rücken.
Ich bin nicht empfindlich, sagte sie.
Schon vergessen, sagte Renz.
Nein, nein. Ich zieh mir den Schuh nicht an.
Was verlangst du jetzt? Soll ich das Kompliment zurücknehmen?
Ja.
Das ist wirklich seltsam.
Du meinst, ich bin seltsam?
Also gut, Marja: Du bist nicht vollschlank, und ich fürchte, du musst auch Hüftgymnastik machen.
Schon besser, sagte sie.
Hat es dir geholfen? Du hast den Krempel entsorgt.
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