Rot und Schwarz by Stendhal
Autor:Stendhal
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Fußnoten
1 ganz wie der junge Beyle, vgl. Sonderling, S. 107, 110, 112.
Vierunddreißigstes Kapitel.
Wie Julian alles in dem vornehmen Salon des Hauses La Mole seltsam dünkte, ebenso sonderbar erschien der blasse schwarzgekleidete junge Mann allen, die ihn eines Blickes würdigten. Frau von La Mole schlug ihrem Gatten vor, ihn an den Tagen, wo gewisse Persönlichkeiten zu Tisch da seien, mit irgendwelchem Auftrage fortzuschicken.
»Ich möchte ihn lieber in jeder Lage erproben«, antwortete der Marquis. »Der Abbé Pirard meint, man täte unrecht, die Individualität derer, die man in seinen Kreis zieht, zu brechen. Man stützt sich gerade auf das, was Widerstand leistet. Der junge Mann fällt lediglich auf, weil ihn noch niemand kennt. Im übrigen ist er ja taubstumm.«
»Um mich hier zurechtzufinden,« dachte Julian, »muß ich mir die Namen der Leute, die im Hause verkehren, aufschreiben und mir ihre Charaktere mit ein paar Worten skizzieren.«
Da waren zunächst fünf oder sechs Freunde des Hauses, die dem neuen Sekretär für alle Fälle den Hof machten, denn sie glaubten, der Marquis begünstige ihn aus irgendeiner Laune. Es waren arme Schlucker und mehr oder minder unterwürfige Gesellen. Doch sei zur Ehre dieser Schmarotzer, von denen die aristokratischen Salons wimmelten, gesagt, daß sie sich nicht allen gegenüber in gleicher Weise benahmen. Mancher, der sich vom Marquis alles gefallen ließ, zeigte die Zähne, wenn ihn die Marquise schlecht behandelte. Im Charakter der Familie La Mole lag allzuviel Hochmut und Mißlaune. Man war es allzu gewohnt, andern weh zu tun, um sich zu zerstreuen. So konnten sie nie auf echte Freundschaft rechnen. Höflich aber waren sie allezeit, ausgenommen an Regentagen und in Augenblicken völliger Verstimmung, was selten der Fall war. Ohne den Schwarm der Schmarotzer wäre die Marquise vereinsamt gewesen. Damen von hohem Range empfinden die Einsamkeit als etwas Schreckliches. Sie kommen sich dann wie in Ungnade gefallen vor.
Der Marquis tat für seine Frau alles. So sorgte er auch dafür, daß ihr Salon stets genügend besucht war, wenn auch nicht immer von Pairs, denn er fand manche seiner neuerlichen Kollegen nicht vornehm genug, um sie als Hausfreunde, und nicht unterhaltend genug, um sie als untergeordnete Gäste bei sich zu sehen.
Julian kam erst spät hinter alle diese Geheimnisse. Die Politik, die den Hauptgesprächsstoff in bürgerlichen Familien bildet, kommt in Häusern vom Range des La Moleschen nur in Augenblicken der Not zur Geltung.
Obgleich man im Jahrhundert der Lebensunlust weilte, war die Vergnügungssucht so stark, daß selbst an den Dinertagen alles augenblicklich aufbrach, sobald der Marquis den Salon verließ. In der Unterhaltung bei Tisch galt es, keine Scherze zu machen, die Gott und die Geistlichkeit berührten, oder den König, oder Leute von Rang und Einfluß, oder die am Hofe beliebten Künstler, überhaupt irgend etwas Anerkanntes. Es war unstatthaft, Beranger und die Oppositionsblätter, Voltaire und Rousseau zu erwähnen. Man durfte niemandem, der sich in der Öffentlichkeit eine freiere Sprache herausnahm, Gutes nachsagen. Unbedingt unschicklich war es, von Politik zu sprechen. Sonst konnte man über alles frei reden. Weder hunderttausend Taler Einkommen noch das blaue Ordensband vermochten etwas gegen die Salongesetze. Der geringste lebendige Gedanke wurde als grobe Unmanierlichkeit aufgefaßt.
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