Rostfrei. Roman by Steffi von Wolff

Rostfrei. Roman by Steffi von Wolff

Autor:Steffi von Wolff [Wolff, Steffi von]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783104000886
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2015-05-23T16:00:00+00:00


Kapitel 21

☞ Er bündelte auf wenigen Quadratzentimetern Weizenbrot die Sehnsüchte einer ganzen Epoche: Die verschwenderische Kombination aus Schinken und Käse demonstrierte den neu gewonnenen Wohlstand, Ananas und Cocktailkirschen drückten die Sehnsucht nach der weiten Welt aus.

Gudrun Rothaug: Vom Toast Hawaii zum Döner. Essen in Deutschland. Frankfurt 2004

Wir setzen uns dann wieder ins Wohnzimmer. Die Talkshow ist mittlerweile vorbei, und Werbung läuft. Ein Zeichentrickmännchen fliegt umher und ruft in einem nichtdeutschen Akzent »Red Bull verleiht Flüüügel«, und das finde ich lustig, auch weil ich eine Assoziation zu den beiden Polizeibeamten bekomme. Sie sind rothaarig und sie sind Polizisten, und Polizisten werden ja im Volksmund Bullen genannt. Genau genommen weiden also in Groß Vollstedt Polizeibeamte. Jedenfalls werde ich die beiden Geiseln ab sofort nur noch »Die Red Bulls« nennen und könnte mir auf die Schulter dafür klopfen, dass ich auf so etwas Neumodisches gekommen bin. Nach der Red-Bull-Werbung kommt eine Werbung für ein neues Toilettenpapier, und da fällt mir ein, dass die Red Bulls doch bestimmt auch mal aufs Klo müssen.

Daran hat Jason auch nicht gedacht; schnell springt er auf und meint: »Darauf hättest du auch mal früher kommen können. Ich werde eine Chemietoilette besorgen müssen. Nur, wo kriege ich jetzt noch eine Chemietoilette her? Es ist nach acht.« Er rennt weg und holt seinen Laptop, und dann macht er etwas, das er »im Internet surfen« nennt und meint, beim Surfen bestimmt Chemietoiletten zu finden.

Interessiert rücke ich meine Brille zurecht und verfolge sein Tun.

»Ich werde das jetzt googeln«, sagt er, und das finde ich wahnsinnig interessant, dass er das, was auch immer das ist, googeln will. Jason gibt die Worte »Chemietoilette« und »Hamburg« in seinen Laptop ein, und kurz darauf kommen ganz viele Sätze, in denen die Worte Chemietoilette und Hamburg zu lesen sind. »Da hat sogar einer eine zu verschenken, wo ist denn das Telefon, ach da liegt es ja, hm, das ist ja dieselbe Postleitzahl, wenn wir Glück haben, ist das ganz in der Nähe.«

Er tippt die Nummer ein, und im nächsten Augenblick bekommen wir beide einen Schreck, weil nämlich von der offenen Balkontür ein durchdringendes Telefonklingeln zu hören ist. Wir gehen zum Balkon, um mitzubekommen, wie auf dem Nachbarbalkon jemand sagt »Wer kann denn das sein um diese Zeit?« und dann: »Hallo?«

Jason sagt, wer er ist und dass er auf die Anzeige wegen der kostenlosen Chemietoilette anruft, und ich höre, wie der Balkonnachbar sagt: »Ja, die ist noch da. Könnense abholen, wennse wollen.«

Schnell gehe ich auf Jasons Balkon und beuge mich um den Sichtschutz herum. Auf einem weißen Plastikstuhl an einem weißen Plastiktisch sitzt ein grobschlächtiger Mann Mitte sechzig, der einen überquellenden Aschenbecher vor sich hat und Feinrippunterwäsche trägt, die bei ihrer Geburt mal weiß gewesen sein muss, jetzt aber eher gräulich wirkt.

»Wir sind nebenan«, sage ich freundlich.

»Ja und?«, fragt der Mann unfreundlich zurück.

»Wir sind die Leute, die gern Ihre Chemietoilette übernehmen möchten.«

Jason steht hinter mir und nickt. »Können wir sie gleich bekommen?«, fragt er.

Nachdem der Unterwäschemann die Chemietoilette aus seiner Vorratskammer geholt hat, einem Platz, den ich für



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