Roman eines Schicksallosen by Kertész Imre
Autor:Kertész, Imre [Kertész, Imre]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-02-29T23:00:00+00:00
6
Erst in Zeitz bin ich dahintergekommen, dass auch die Gefangenschaft ihren Alltag hat, ja, dass echte Gefangenschaft im Grunde aus grauem Alltag besteht. Mir schien, dass ich schon einmal in einer etwa ähnlichen Lage gewesen war, und zwar in der Eisenbahn, unterwegs nach Auschwitz. Auch dort hatte alles von der Zeit abgehangen, nun ja, und dann auch von den Fähigkeiten jedes Einzelnen. Nur dass ich – um bei meinem Beispiel zu bleiben – in Zeitz allmählich das Gefühl hatte: Der Zug steht still. Andererseits – und auch das stimmte – raste er so schnell, dass ich den vielen Veränderungen vor mir, um mich herum, aber auch in mir selbst kaum folgen konnte. Eines kann ich zumindest sagen: Ich meinerseits habe den ganzen Weg zurückgelegt, habe sämtliche Möglichkeiten, die sich auf diesem Weg ergeben, redlich ausprobiert.
Auf jeden Fall nimmt man etwas Neues überall, selbst in einem Konzentrationslager, zunächst mit gutem Willen in Angriff – ich wenigstens habe es so erlebt: fürs Erste genügte es, ein guter Häftling zu werden, das Weitere mochte dann die Zukunft bringen – das war im Großen und Ganzen meine Auffassung, darauf gründete ich meine Lebensführung, ganz genauso übrigens, wie ich das im Allgemeinen auch bei den anderen sah. Ich habe natürlich bald gemerkt, dass die vorteilhafte Meinung, die noch in Auschwitz über die Einrichtung von Arbeitslagern geäußert worden war, auf einigermaßen übertriebenen Informationen beruhen musste. Über das ganze Ausmaß dieser Übertreibung, nun ja, und dann besonders über alle die daraus entstehenden Folgen habe ich mir allerdings nicht sofort in vollem Umfang Rechenschaft gegeben – und konnte es ja schließlich gar nicht –, und auch das war wieder so, wie ich es bei anderen, ich darf sagen: bei allen anderen wahrnahm, bei allen rund zweitausend Gefangenen unseres Lagers – ausgenommen natürlich die Selbstmörder. Aber ihr Fall war selten und keineswegs die Regel, keineswegs beispielhaft, so wussten hier alle. Auch mir kam hin und wieder so ein Vorfall zu Ohren, ich hörte, wie er diskutiert, erörtert wurde, von den einen mit offener Missbilligung, von den anderen mit mehr Verständnis, von den Bekannten mit Bedauern – insgesamt aber immer so, als versuche man sich über eine sehr seltene, sehr fernliegende, einigermaßen schwer erklärbare, vielleicht etwas leichtfertige, vielleicht auch achtunggebietende, auf jeden Fall aber voreilige Handlung ein Urteil zu bilden.
Die Hauptsache ist, sich nicht gehen zu lassen: Irgendwie wird es schon werden, denn es ist noch nie vorgekommen, dass es nicht irgendwie doch geworden wäre – wie mir Bandi Citrom beibrachte, der diese Weisheit seinerseits im Arbeitsdienst gelernt hatte. Das Allerwichtigste ist unter allen Umständen, sich zu waschen (parallel aufgereihte Tröge mit durchlöcherten Eisenrohren unter freiem Himmel, vorn, auf der zur Straße gehenden Seite des Lagers). Ebenso wichtig ist es, die Ration – daraufhin, ob es noch eine gibt oder nicht – sparsam einzuteilen. Vom Brot – so schwer uns diese strenge Selbstmaßregelung auch fallen mag – muss noch etwas zum Frühstückskaffee des nächsten Tages übrig bleiben, ja, ein Stück sogar – dank unbestechlicher Kontrolle unserer immer wieder in Richtung
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