Roman Rule and Jewish Life by Hannah M. Cotton Ofer Pogorelsky

Autor:Hannah M. Cotton, Ofer Pogorelsky
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2022-03-21T12:01:05.843000+00:00

Abbildung 14: Henri Prosts „Masterplan“ für Tanger, ca. 1927. Bitte beachten Sie auch die vergrößerte Darstellung dieser Abbildung im Vorsatz und Nachsatz der hier vorliegenden Buchausgabe.

Insgesamt stellen gedruckte Karten immer eine Interpretation ihrer Produzenten für ein bestimmtes Publikum dar und vermögen die Welt nicht objektiv abzubilden.46 Im Zentrum des Plans steht die lockere Bebauung der Neustadt, die sich von dem abgeschlossenen Bereich der Medina deutlich abhebt. Während größere Gebäude und Bebauungskomplexe in Rosa hinterlegt sind, werden Dörfer wie Duar-Mers-Tarjox und Duar-es-Suani als Ansammlung von Punkten abgebildet. Dieses Detail lässt darauf schließen, dass die Kartographen zwischen urbaner und dörflicher Bebauung unterschieden. Es stellt sich daher prinzipiell die Frage, ob eine solche qualitative Unterscheidung auch im Stadtgebiet vorgenommen und Bebauungen mit Hütten in ärmeren Stadtvierteln wie Hasnona und M’Sallah (Emsallah) eventuell nicht abgebildet wurden. Schematisch erscheint auch der Detailausschnitt des „Centro de la Población Antigua“ im Maßstab 1 : 2.000 in der unteren linken Ecke der Karte. Es handelt sich dabei um einen vergrößerten Teil der Medina vom Sokko Grande im Südwesten, der Plazoleta de la Fuente Nueva im Norden und der Batterie im Osten. Im Zentrum dieser Darstellung steht die Calle de los Siaghàns mit dem Zoco Chico. Es handelt sich somit um das von Miller beschriebene Viertel Beni Ider, in dem sich verschiedene Schulen, Banken, Postämter sowie die Große Moschee und die katholische Kirche Mariä Empfängnis befanden.47

Darüber hinaus weist die Karte wichtige Landmarken aus: Flüsse werden anhand blauer, Höhenlinien durch rote Linien und versandete Abschnitte als gepunktete Flächen dargestellt. Insgesamt weist der Plan die Namen wichtiger Institutionen, geographischer Landmarken, kultureller und religiöser Einrichtungen, Stadtviertel, einzelner Hauptverkehrsstraßen und Brücken sowie spezifischer Firmen aus. Im gesamten Stadtgebiet der Alt- und Neustadt verweisen die Ziffern von eins bis 111 auf eine gesonderte Legende, die in der oberen linken Ecke der Karte abgebildet ist. Diese Zeichenerklärung gliedert sich in zwölf thematische Abschnitte, denen die 111 Nummern zugeordnet sind: diplomatische Vertretungen (1), öffentliche Einrichtungen (2), öffentliche Dienste (3), Kirchen, Moscheen und Synagogen (4), wohltätige Einrichtungen (5), Denkmäler (6), Bildungseinrichtungen (7), Kommunikation (8), Hotels (9), Banken (10), Theater und Kasinos (11) und Zeitungen (12). Den umfangreichsten Abschnitt mit 21 Aufzählungen stellt die Kategorie Kirchen, Moscheen und Synagogen dar. Die Karte eignete sich also nicht nur für die Eigenverwendung der Eisenbahngesellschaft, in deren Auftrag sie erstellt wurde, sondern vielmehr für den Gebrauch von Geschäftsreisenden und Touristen. Den alltäglichen Ansprüchen der Einwohner und speziell der lokalen Bevölkerung konnte sie dagegen nur eingeschränkt gerecht werden, da sie den Großteil der Straßen nicht benennt und Einrichtungen des täglichen Gebrauchs wie öffentliche Brunnen und Bäder nicht ausweist.

Die zweite Ebene, auf der die Karte gelesen werden kann, stellt die Skizze von Henri Prost dar, mit der dieser den gedruckten Stadtplan von Hand übermalte. Der Entwurf bildet weder den Jetzt-Zustand der Stadt im Jahr 1921 noch zum Zeitpunkt von Prosts Aufenthalt (vermutlich) Ende 1927 ab. Stattdessen zeigt sie Prosts Vision von einem Tanger der Zukunft. Der Stadtplaner verwendete einen breit gefächerten Farbcode, wobei er sowohl mit Buntstift als auch mit Tinte arbeitete. Zunächst

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