Rohypnol by Andrew Hutchinson

Rohypnol by Andrew Hutchinson

Autor:Andrew Hutchinson [Hutchinson, Andrew]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2010-04-27T22:00:00+00:00


Eines Tages finde ich Thorley nackt auf dem Küchenboden sitzend. Er schärft einen Nagel an einem grauen Kiesel und erzählt mir, er habe vier Tage nicht geschlafen; mit dem Nagel wolle er die Fliege aufspießen. Er wedelt mit dem Finger, als wolle er sagen, dass sie hier irgendwo sein müsse.

»Einfach so«, sagt er und stochert in der Luft herum. Er lächelt mich an, seine Augen tiefe, rote Höhlen im Fleisch.

»Lass uns Lastwagenfahrer spielen«, verkündet er, als wäre es die beste Idee, die er je gehabt hat.

Thorley zieht sich an, und ich folge ihm aus dem Apartment. Sein Lastwagenfahrer-Spiel besteht darin, enorme Mengen Duromine-Diätpillen zu schlucken und einen gemieteten Van nach Queensland zu fahren, um dort nichts an niemand auszuliefern. Er verklickert ihn mir, während wir durch die Straßen schlendern. Thorley blinzelt im Sonnenlicht und verfolgt alle Welt mit stieren Blicken, schweigt aber abrupt, wenn uns jemand auf dem Gehweg entgegenkommt, als wären seine Informationen topsecret und wir von potenziellen Spionen umgeben.

Thorley mietet einen Van, er benutzt dazu einen falschen Ausweis auf den Namen Ethan Wells, schwingt sich in den Fahrersitz und streicht mit der Hand über das Lenkrad. Der Mietwagen riecht nach Zitrusfrüchten, und auf dem Boden liegen Begrüßungsmatten aus dünnem Papier. Thorley hat eine einzige graue Plastikkiste ins Heck gepackt und mit Seilen gesichert. In der Kiste befinden sich Tequilaflaschen sowie Pillen in allen Formen und Farben. Thorley kneift die Augen zusammen und betrachtet den Verkehr.

»Pass auf, die Nummer läuft so: Wir arbeiten für Hamilton, eine große Logistikfirma. Jemand hat wegen eines Pakets angerufen, das bis morgen früh neun Uhr auf seinem Schreibtisch in Queensland stehen müsse, sonst kriegt unser Manager in Hamilton von seinem Vorstand Feuer unter dem Arsch, dem wiederum die Aktionäre die Hölle heiß machen würden. Um den wertvollen Kunden nicht zu verlieren, verspricht er ihm, er könne die Zustellung garantieren. Was er aber nicht kann, wenn man Pausen und Schichtwechsel mit einkalkuliert.«

Thorley schüttelt den Kopf.

»Und hier kommen wir ins Spiel. Wir haben gerade einen hohen Kredit für unseren Truck aufgenommen, und wir müssen es unbedingt schaffen, das Paket rechtzeitig zuzustellen, weil wir sonst keine Aufträge mehr kriegen und unsere Kinder von der Schule nehmen und mit unseren Frauen und Kindern auf dem Rücksitz der Familienkutsche leben müssen. Kapiert? Also müssen wir die ganze Nacht durchfahren. Wir dürfen nicht anhalten, ehe wir dort sind.« Wieder schüttelt er den Kopf. Er wirkt vollkommen ernst.

»Hast du Schiss?«, fragt Thorley und lässt den Motor an, lässt ihn ein-, zweimal aufheulen.

Ich sage Nein.

»Ich habe vier Tage nicht geschlafen«, sagt er. »Hast du Schiss?« Er grinst mich an wie ein Irrer, seine Augen scheinen sich in seinem Schädel verkriechen zu wollen, Schutz zu suchen vor dem Tageslicht und all der anderen Scheiße.

Ich sage noch mal Nein.

»Musst du auch nicht.«

Er rammt den Gang rein und fädelt sich ruckartig in den Verkehr ein. Ich schaue zurück auf die anderen Mietwagen, die weiß und sauber darauf warten, gefahren zu werden.

Und ich denke: Dieser Van wird nie mehr hierher zurückkehren.

»Wir sind gottverdammte Trucker!«, brüllt Thorley, schluckt eine graubraune Tablette und spuckt auf die Autos neben uns.



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