Ritt in den Morgen by Lise Gast

Ritt in den Morgen by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-14T00:00:00+00:00


Gefrühstückt wurde am andern morgen auch im Freien. Der Tau lag wie ein graues Fell auf den Wiesen, und überm Wald ballten sich noch die Nebel. Die Förstersfrau, klein und lebhaft, lief selbst mit der Kaffeekanne reihum und goß immer wieder nach. Mir schmeckte es an diesem Morgen nicht; ich spürte, daß der Tag schiefgehen würde, man hat ja so etwas mitunter in Gefühl.

Moritz hatte sich neben mich gesetzt. Als ich mich nach Tobias umsah, begegnete ich einem finsteren Blick. Ich wollte ihn auf meine andere Seite winken, er verstand mich auch, schüttelte aber den Kopf.

Während wir dann zu den Pferden gingen, schnitt er mir den Weg ab und sagte: 'Berta reite ich heute selbst.' Ich hatte sie gar nicht gewollt, warum aber war er so grimmig?

Ich kam nicht dazu, darüber nachzugrübeln. Unsere Berlinerin zog mich beiseite und flüsterte, sie habe sich die Reiterei weniger anstrengend vorgestellt und werde heute lieber pausieren. Ob sie sich meiner Mutter anschließen dürfe?

Natürlich, aussetzen dürfe sie gern. Aber meine Mutter komme an diesem Tag nicht mit; sie wolle einmal ausruhen. Ein Student nehme ihr die Futter- und Gepäckfuhre am Abend ab.

Nun, dann fahre sie eben mit der Bahn oder mit dem Omnibus, meinte die Dame. Auf irgendeine Weise werde sie schon zum nächsten Quartier gelangen.

Sherry wurde jetzt also frei, und ich konnte sie Tante Turtelhütchen geben. Die meisten zogen ihre fertig geputzten Pferde aus der Scheune, Tobias seine Berta, ohne mich anzusehen, und ich suchte zwischen ihnen nach Wisky. Den aber hatte Moritz schon gesattelt und aufgetrenst und fragte mich strahlend, ob ich mich freue. Ich nickte verstört.

In diesem Augenblick kam die Försterfrau gelaufen und rief so laut, daß alle es hörten, ich werde am Telefon gewünscht.

'Ich?' fragte ich, nichts Gutes ahnend. Mutter war doch da; wer sollte sonst etwas von mir wollen?

'Ja', sagte unsere Gastgeberin überdeutlich, 'ein Herr Hart will Sie sprechen. Er schien sich sehr zu freuen, als er hörte, daß ich Sie holen kann.'

Roland Hart. Ich rannte an Tobias vorbei, der mir den Rücken zuwandte, dem Haus zu.

'Guten Morgen, Kari.' Rolands Stimme, diesmal mehr grollend als samten. 'Was fällt dir ein, einfach auszureißen?'

'Ich hab doch hinterlassen, warum ich wegmußte', sagte ich.

'Ja, weil deine Mutter krank sei. Vorhin rief ich auf dem Rudolfshof an und hörte, sie sei nicht da. Und du wärst mit einer Anzahl Leute ausgeritten ...'

Dies war die reine Wahrheit, aber es klang wie eine üble Ausrede. Ich stotterte: 'Das ist – das ist ... Also wenn du mir nicht glauben willst, dann mußt du es eben bleiben lassen', schloß ich abrupt.

Jetzt haut er den Hörer auf die Gabel und ich höre nie wieder von ihm, dachte ich. Aber, o Wunder, es geschah etwas ganz anderes. Rolands Stimme hatte plötzlich den alten Charme. 'Kari, können wir das nicht persönlich besprechen? Ich möchte dich wiedersehen, du ...'

Pause. Noch vor Tagen hätte mir das Herz gehämmert. Merkwürdig, ich mußte doch sehr weit weggeritten sein.

'In den nächsten Tagen nicht', sagte ich und war ganz sachlich, 'am besten ist es vielleicht, ich schreibe dir.



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