Richter_di 15 by Gulik

Richter_di 15 by Gulik

Autor:Gulik
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-02T05:00:00+00:00


zusammenreißen mußte. Ein frecher Straßenräuber war kein Grund, die Beherrschung zu verlieren. Die Tragödie in Pei-tscho hatte ihn tief getroffen, so tief, daß er sich verzweifelt fragte, ob es ihm jemals gelingen würde, seinen inneren Frieden wiederzufinden.

Während er den letzten Bergrücken hinaufritt, begegnete ihm keine Menschenseele mehr. Oben auf der Kuppe traf ihn wieder die volle Kraft des Nordwindes, drang durch seinen Pelzmantel hindurch und ließ ihn bis auf die Knochen erzittern. Rasch ritt er zum Ufer hinunter und brachte sein Pferd vor der weiten Fläche des angeschwollenen Flusses zum Stehen. Die aufgepeitschten Wellen schlugen gegen das felsige Ufer weiter im Westen. Nirgendwo war eine Fähre zu sehen, und von der Anlegestelle waren nur noch zwei abgebrochene Pfeiler übrig. Das ungestüme Wasser schlug weißschäumend an ihnen empor und eilte dann dumpf brausend weiter, entwurzelte Bäume und Sträucher mit sich führend.

Stirnrunzelnd betrachtete der Richter die trostlose Landschaft, die grau und verlassen in der fallenden Dämmerung vor ihm lag. Der einzige bewohnte Ort in Sicht war ein großes, altes Landhaus, das ungefähr eine halbe Meile weiter westlich ganz allein auf einem Hügel stand. Es war von einer hohen Mauer umgeben, deren östliche Ecke mit einem Wachturm versehen war. Die dunklen Rauchwolken, die über dem Dach des Hauptgebäudes aufstiegen, wurden schnell von dem starken Wind fortgetrieben.

Der Richter stieß einen unterdrückten Seufzer aus und lenkte sein Pferd auf der gewundenen Straße den Hügel hinauf. Es war nichts daran zu ändern, er war in eine Sackgasse geraten. Er und sein Gefolge mußten ihre Reise hier unterbrechen und warten, bis die Fähre wieder repariert war.

Das Gelände um das Landhaus herum war mit hohem Gras und Felsblöcken bedeckt; es gab keinen einzigen Baum. Aber der Berghang dahinter war dicht bewaldet. Dort in der Ferne, vor etwas, das aussah wie der Eingang einer großen Höhle, sah er Menschen herumlaufen. Drei Reiter kamen zwischen den Bäumen zum Vorschein und ritten den Berghang hinunter.

Als der Richter ungefähr die Hälfte des Weges zum Landhaus zurückgelegt hatte, fiel sein Blick auf einen Holzpflock, der am Rand der Straße in den Boden gerammt worden war. Oben an der Spitze befand sich ein runder Gegenstand. Der Richter beugte sich im Sattel vor und erkannte, daß es der abgetrennte Kopf eines Mannes war. Die langen Haare flatterten um das entstellte Gesicht. Ein Paar abgeschnittener Hände war dicht unter dem Kopf an den Pflock genagelt. Der Richter schüttelte bestürzt den Kopf und trieb sein Pferd an.

Als er zu dem hohen Torhaus mit der schweren, eisenbeschlagenen Tür kam, dachte er, daß die ganze Anlage mehr einem kleinen Fort denn einem Landhaus ähnelte. Die hohen zinnenbewehrten Mauern, die sich nach unten hin verbreiterten, schienen besonders dick zu sein und wiesen kein einziges Fenster auf.

Er wollte soeben mit dem Griff seiner Peitsche an das Tor klopfen, als es sich langsam öffnete. Ein alter Bauer winkte ihn in einen halbdunklen, mit Steinen gepflasterten Innenhof, und während der Richter von seinem Pferd sprang, vernahm er das Knirschen des Querriegels, der wieder vor das Tor geschoben wurde.

Ein hagerer Mann in einem langen blauen Gewand und mit einer kleinen Kappe auf dem Kopf eilte ihm entgegen.



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