Richter Di by Robert van Gulik

Richter Di by Robert van Gulik

Autor:Robert van Gulik [Gulik, Robert van]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-10-14T16:00:00+00:00


Als er das Torhaus am Gericht passierte, sah er Ma Jung im Wachraum sitzen und mit den Soldaten reden. Er nahm seinen Gehilfen in sein privates Arbeitszimmer mit. Als er ihm erzählt hatte, was im Landhaus geschehen war, schüttelte Ma Jung traurig den Kopf und sagte: »Sie hatte also einen geheimen Geliebten, und er war es, der ihren Ehemann tötete. Tja, damit wäre der Fall praktisch gelöst. Nun bedarf es nur noch einiger Überredung, und sie wird mit dem Namen des Burschen herausrücken.«

Richter Di nahm einen Schluck von seinem Tee und sagte langsam: »Dennoch gibt es ein paar Punkte, die mich beunruhigen. Es besteht zweifellos eine Verbindung zwischen der Ermordung Mengs und dem Überfall auf den Boten der Schatzkammer, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, welche. Wie dem auch sei, ich möchte deine Meinung zu zwei anderen Punkten hören. Erstens, wie konnte Frau Meng eine heimliche Liebesaffäre haben? Sie und ihr Mann gingen so gut wie nie aus, und die wenigen Gäste, die sie empfingen, kamen tagsüber. Zweitens, ich habe überprüft, daß sie heute nacht im Zimmer des Bediensteten auf einer schmalen Pritsche schlief. Warum wollte sie ihren Geliebten nicht im Schlafzimmer empfangen, wo ein großes und bequemes Bett steht? Respekt gegenüber ihrem toten Ehemann kann es kaum gewesen sein, wenn sie ihn unbekümmert hinter seinem Rücken betrog! Ich weiß natürlich, daß Liebenden Bequemlichkeit nicht viel bedeutet, aber trotzdem, die harte, schmale Pritsche …«

»Nun«, meinte Ma Jung grinsend, »was den ersten Punkt betrifft, so kann man todsicher sein, daß eine Frau, die entschlossen ist, ihre kleinen Spielchen zu treiben, schon Mittel und Wege dazu finden wird. Vielleicht war es ja ihr Bediensteter, mit dem sie herumspielte, und in dem Fall hätten ihre privaten Vergnügungen nichts mit dem Mord zu tun. Zum zweiten Punkt muß ich sagen, ich habe oft genug auf einem Pritschenbett geschlafen, jedoch nie daran gedacht, es zu teilen. Aber ich will gern ins Weidenviertel gehen und mich nach den speziellen Vorzügen erkundigen, wenn es denn welche gibt.« Erwartungsvoll sah er den Richter an.

Richter Di starrte ihn an, aber seine Gedanken schienen woanders zu sein. Er schwieg lange, sich bedächtig den Schnurrbart zupfend. Plötzlich lächelte der Richter. »Ja«, sagte er, »das könnten wir versuchen.« Ma Jung sah erfreut drein. Aber er machte ein langes Gesicht, als Richter Di munter fortfuhr: »Geh gleich ins Wirtshaus ›Zum roten Karpfen‹ hinter dem Fischmarkt. Bitte das Oberhaupt der Bettler dort, er möge dir ein halbes Dutzend Bettler zusammentrommeln, die sich häufig in der näheren Umgebung des Weidenviertels aufhalten, und bring die Burschen hierher. Sag dem Anführer der Bettlergilde, daß ich sie zu einigen wichtigen neuen Tatsachen befragen möchte, die im Fall der Ermordung des Poeten Meng Lan ans Licht gekommen sind. Mach kein Geheimnis daraus. Im Gegenteil, sorge dafür, daß jeder Bescheid weiß, daß ich diese Bettler hierher zitiere, und zu welchem Zweck. Beeil dich!«

Als Ma Jung sitzen blieb und den Richter sprachlos ansah, fügte dieser hinzu: »Wenn mein Plan gelingt, werde ich sowohl den Mord an Meng als auch den Raub der Goldbarren aufgeklärt haben.



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