Reiterpension Heidehof by Lise Gast

Reiterpension Heidehof by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-26T00:00:00+00:00


In dieser Nacht wurde Peter krank. Brigge war spät schlafen gegangen, müde vom Warten, von der vergeblichen Sehnsucht, von brennenden Wünschen. Sie hatte noch nicht den ersten Schlummer gefunden, als sie hochschrak. Die beiden Jungen schliefen bei ihr im Zimmer. Peter rief nach ihr.

Sie war sogleich bei ihm. Seine Stirn brannte, als sie sie hielt, während ihm übel wurde. Anselm rührte sich in seinem Bett, knurrte und drehte sich auf die andere Seite, ohne aufzuwachen. Brigge fühlte ihre Hände zittern.

Kinder sind oft nachts krank und am Morgen wieder putzmunter. Er hatte sich wohl überfuttert oder unreifes Obst gegessen – hundert Gründe gab es. Aber sie vermochte nicht wieder einzuschlafen.

Peter auch nicht. Er atmete flach und schnell, sie hörte es, wie sie so lag und dachte. Sie dachte an damals, an jetzt und an später. Es war eine lange Nacht.

Auch Henner schlief nicht. Er war lange Zeit hin und her gegangen, mit seinem lautlosen, tierhaften Jägerschritt. Eigentlich bereute er, nicht gefragt zu haben, obwohl man Anständigkeiten nicht bereuen soll. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, Fräulein Wiegand zum Sprechen zu bringen. Bestimmt hätte sie ihm erzählt, was er wissen wollte, alles.

Alles? Was denn alles? Vielleicht war da gar nichts – – doch, es war etwas. Es stimmte etwas nicht in Brigges Leben, und er lechzte danach, es zu wissen. Hatte er nicht ein Recht darauf? Schließlich war sie einmal seine Frau gewesen.

Nein. Kein Recht, keinerlei Recht. Dieses Rechts hatte er sich begeben, freiwillig, aus egoistischen Gründen. Er hatte von ihr fortgewollt. Nein, kein Recht.

Sie lebte ihr Leben und hatte es nun schon so lange gelebt, durch schwierigste Jahre hindurch, tapfer, zupackend, wahrscheinlich sogar recht vergnügt. Sie sah so blühend, warm und reif aus, so in sich ruhend. Es machte ihn beinah rasend vor Unruhe. Wenn er nur einmal, ein einziges Mal ihren Mann gesehen hätte! Irgend jemand im Haus müßte sich doch einmal über ihn äußern, zufällig vielleicht, gar nicht, daß man danach fragte. Denn nach der merkwürdigen, liebenswürdigen Abfuhr, die Omme ihm erteilt hatte, war er in dieser Beziehung nachdenklich geworden. Bei Fräulein Wiegand hätte er Auskunft bekommen. Er kannte doch die Frauen. Aber im letzten Augenblick hatte er geschwiegen, die Frage verschluckt, ja ihren Ansatz, zu erzählen, absichtlich und bewußt übergangen. Er wollte nicht, so nicht. Brigge mußte selbst zu ihm kommen und von sich aus sprechen, das wollte er. Und er hatte bei ihr eigentlich immer alles durchgesetzt, was er wirklich wollte.

Sie würde zu ihm kommen, heute abend noch, und ihm alles erzählen. Er fühlte es deutlich. So ging er hin und her und rauchte, horchte, wartete. Unten war es still. Es wurde spät, tiefe Nacht. Er beugte sich lautlos aus dem Fenster. Jetzt brannte unten Licht, bisher war es dunkel gewesen. Jetzt würde sie bald kommen.

Alles würde gut werden, wenn sie kam. Es gab wohl nichts, worüber er innerlich nicht hinwegkommen könnte, wenn sie Vertrauen zu ihm hatte. Sie war doch der Mensch, der ihm am nächsten gestanden hatte im Leben. Und man war doch schließlich in erster Linie Mensch und dann erst Mann und Frau.



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