Ravel by Echenoz Jean
Autor:Echenoz, Jean [Echenoz, Jean]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2015-09-13T16:00:00+00:00
7
Technik Nr. 2: sich stundenlang im Bett wälzen, auf der Suche nach der besten Stellung, nach der idealen Anpassung des Organismus namens Ravel an das Möbel namens Bett, nach der regelmäßigsten Atmung, nach der perfekten Lage des Kopfes auf dem Kissen, nach dem Zustand, der den Körper zerschmelzen und ihn dann mit der Unterlage verschmelzen lässt, da diese Schmelzung eine der Türen des Schlafes öffnen könnte. Sodann braucht Ravel nur noch zu warten, dass dieser kommt und sich seiner bemächtigt, er harrt auf sein Eintreffen wie auf das eines Gastes.
Einwand: Einerseits drohen, wie wir gesehen haben, eben dieses Warten, diese Position des Spähers und die Aufmerksamkeit, die sie mobilisiert – er mag noch so sehr versuchen, sie zu ignorieren –, ihn am Einschlafen zu hindern. Wenn andererseits diese Position einmal gefunden ist, erleidet die ermutigende Betäubung, die aus ihr folgt und den Schlaf in greifbare Nähe zu rücken scheint, oftmals eine Panne, irgendwo gibt es einen kleinen Kurzschluss oder Wackelkontakt, und es heißt alles von vorn anfangen. Schlimmer noch, alles muss neu aufgebaut werden, von weiter unten als beim ersten Mal, es ist entmutigend, Ravel macht erst die Nachttischlampe, dann eine Zigarette an, hustet, zerdrückt sie, um sofort eine weitere anzuzünden, es hat kein Ende.
Er könnte doch eigentlich auch versuchen, mit jemandem anderen zu schlafen, oder. Man findet den Schlaf manchmal leichter, wenn man im Bett nicht so allein ist. Das könnte er immerhin mal versuchen. Aber nein, nichts zu machen. Dass er irgendwem voller Liebe zugetan gewesen wäre, ob Mann, ob Frau, man weiß es nicht. Man weiß nur, dass eine Freundin, der er eines Tages die Heirat anzutragen wagte, sehr laut zu lachen anfing und vor aller Welt rief, er sei ja verrückt geworden. Man weiß, dass Hélène, als er sie indirekt fragte, ob sie nicht auf dem Land leben möge, ebenfalls ablehnte, wenn auch feinfühliger. Man weiß aber auch, dass, als eine Dritte, so groß und gewichtig, wie er klein und schmal ist, ihm ihrerseits dasselbe Angebot machte, wiederum er selbst lachte, bis ihm die Tränen kamen.
Man weiß, dass der junge Rosenthal Ravel einmal in einer Kneipe an der Porte de Champerret antraf, in Gesellschaft eines Trupps von Huren, die dort ihr Hauptquartier hatten, mit denen er sich höchlichst amüsierte oder wenigstens sehr vertraut schien. Man weiß, dass derselbe Rosenthal einmal zufällig ein Telefonat Ravels mit einer von ihnen mithörte – sie war wütend, dass er lieber Rosenthal Unterricht gab, als ihr einen Teil seines Bettes zuzugestehen. Man weiß, das Ravel eines Tages, als er sich von Leyritz verabschiedete, ihm wie nebenbei bedeutete, er gehe jetzt ins Bordell, aber das mochte ebenso gut ein Scherz sein. Also weiß man sehr wenig, obgleich man dies und das annehmen könnte, zum Beispiel eine vielleicht aus Resignation herrührende Neigung zu flüchtigen Begegnungen. Kurz, man weiß nichts, praktisch nichts, nur dass er eines Tages, von Marguerite Long ermuntert, doch zu heiraten, sich ein für alle Mal abschließend zu der Frage der Liebe geäußert hat: Dieses Gefühl, so befindet er, kommt doch niemals übers Schlüpfrige hinaus.
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