Raubvögel über dem Rauneckhof by Anny von Panhuys

Raubvögel über dem Rauneckhof by Anny von Panhuys

Autor:Anny von Panhuys [Panhuys, Anny von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-06-05T00:00:00+00:00


Frank Wildhard wiederholte: „Wenn du ihn siehst im feurigen Schein! Weiß der Himmel, wie das gemeint ist? Ich glaube wirklich, die Nuß ist zu hart.“ Und er dachte, das war schade, denn Ilse hatte ihm auch erzählt, daß nach dem Tod des Urgroßvaters viele Werte, besonders kostbarer Schmuck, in der Erbschaft gefehlt hätte.

Er sagte: „Man müßte doch noch einmal gründlich Nachforschungen anstellen, um die Werte, die vor drei Generationen der Familie verloren gingen, wiederzugewinnen.“

Ilse machte eine abwehrende Handbewegung.

„Es würde erfolglos sein, weil diese drei Generationen schon alles mögliche in der Beziehung versucht haben. Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn du ebenfalls dein Heil probieren willst. Aber aufs Geratewohl zu suchen ist vergebliche Liebesmühe. Es müßte wenigstens eine Idee geben, die sich auf den Vers stützen könnte.“

Bei Tisch bildete der Vers das Unterhaltungsthema. Jutta Linden meinte: „Wenn ich hier Herrin wäre, ließe ich kein Eckchen auf dem Hofe ununtersucht und der alte Turm müßte Stein für Stein abgerissen werden, denn dort ist die Aussicht, etwas zu finden, meiner Ansicht nach am größten.“

„Das wäre Vandalismus“, konnte Ulrich Werdenberg nicht unterlassen zu bemerken.

„Zu der Annahme, der, na sagen wir mal, der Familienschatz, wäre im Turm eingemauert, ist noch gar kein Grund vorhanden. Und so viel ich Fräulein Rauneck kenne, ist ihr die Erhaltung des alten ehrwürdigen Turmes mehr wert, als die höchst fragliche Aussicht, ein paar silberne Gefäße und ein paar Juwelen zu gewinnen.“

Ilse nickte ihm zu: „Sie kennen mich wirklich gut, lieber Herr Inspektor.“

Frank hätte ihr am liebsten nach Gassenjungenmanier nachgemacht: Lieber Herr Inspektor! Aber er verkniff es sich, dachte hämisch, die längste Zeit war der „liebe Herr Inspektor“ auf dem Rauneckhof gewesen.

Jutta aber sah Ulrich Werdenberg fast herausforfordernd an.

„Die meisten Frauen denken anders wie Fräulein Rauneck, Herr Inspektor. Da es sich um große Werte handeln soll, würden die meisten Frauen, genau wie ich es auch täte, alles daransetzen, sie zu erlangen. Mir zum Beispiel wäre, wenn ich vor die Wahl gestellt würde, der kleinste Brillant lieber als der alte Turm, in dem die Mäuse und Ratten Versteck spielen und die Fledermäuse ihr Standquartier aufgeschlagen haben.“

„Anscheinend haben Sie also kein Gefühl für Pietät, Fräulein Linden“, gab er gelassen zurück.

Jutta rückte mit den Schultern.

„Es hat keinen Zweck, über die Sache zu debattieren, denn ich bin ja nicht die Herrin vom Rauneckhof.“

Ihr Blick haftete nur den Bruchteil einer Sekunde lang auf Frank Wildhards gebräuntem Gesicht, aber ein Wunsch, nein, ein Befehl war in diesem Blick.

Der Baron sagte: „Ohne den alten Turm abzureißen, werde ich doch noch einmal alle Hebel in Bewegung setzen, damit sich meine zukünftige Gattin einmal mit den Juwelen, die verloren gegangen, schmücken kann.“

Jutta Linden hörte den Doppelsinn aus den Worten „meine zukünftige Gattin“ deutlich heraus. Sie war damit gemeint, nur sie, und nicht die steifleinene Ilse Rauneck, über die der Weg zu Reichtum und Glück führte.

Tagelang sann Frank Wildhard über den Vers nach, allersei sehr kühne Folgerungen waren das Ergebnis, aber da ein paar in die Praxis umgesetzte Proben aufs Exempel scheiterten, kümmerte er sich zunächst nicht mehr um die Schatzgräberei. Wenn er erst Herr auf dem Rauneckhofe geworden, würde er die Nachforschungen energischer betreiben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.