Ran an den Mann by Hauptmann Gaby
Autor:Hauptmann, Gaby [Hauptmann, Gaby]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492954846
Herausgeber: Piper ebooks
Um kurz vor acht Uhr stand er vor Evas Haustür. Dieses Botnang war so verwinkelt und hatte eine so seltsame Verkehrsführung, daß er richtig aufpassen mußte. Und irgendwie beschlich ihn der Verdacht, daß es einen einfacheren Weg als den durch die engen, steilen Straßen gab. Sein Navi wollte auf den heutigen Abend einfach noch eins draufsetzen.
Er parkte und schaute auf seine Uhr. Zehn vor. Es war unhöflich, zu früh zu kommen. Und hätte ihn seine Nachbarin nicht aus dem Haus getrieben, hätte er bequem um zehn nach kommen können. So stand er nun herum wie ein Schuljunge und betrachtete die Umgebung. Es waren alles putzige Häuschen, die typischen Einfamilienhäuschen aus den Fünfzigern, die nach Idylle und eigenem Versorgungsgärtchen aussahen. Die geeignete Kulisse für das fröhliche Familienleben nach dem Krieg, dachte er. Mit Schultüte, Schlabberlatz und Grießbrei. Oder aber es spielten sich Dramen hinter den Fenstern ab. Der brave Lehrer schlug seine Frau und vergewaltigte seine Tochter. Alles war möglich.
Thomas schaute wieder auf seine Uhr. Noch fünf Minuten. Gut, wenn er langsam die Tür öffnete und gemütlich auf die andere Straßenseite schlenderte, würde es genau hinkommen. Er öffnete, und diesem Moment sah er es: Er hatte den Verband vergessen! Das durfte doch nicht wahr sein!
Erschrocken schlug er die Wagentür wieder zu. Verdammt, Saskia! dachte er. Daran war sie schuld! Er war ja förmlich aus seiner Wohnung getrieben worden. Und das als Schwerverletzter!
Das erste, was ihm einfiel, war eine Apotheke. Er brauchte einen Verband! Um acht Uhr an einem Freitag?
Notdienstapotheke. Und die war in der Stadt. Das ging sich nie und nimmer aus!
Der Verbandskasten im Auto fiel ihm ein. Er fuhr einen BMW. Wo zum Teufel war da der Verbandskasten? Sollte er in der Betriebsanleitung nachlesen? Oder erst mal suchen?
Er tippte auf den Kofferraum. Verbandkasten, Warndreieck und Weste mußten ja wohl irgendwie zusammenliegen, mutmaßte er. Kurz darauf saß er wieder im Auto und versuchte sich einhändig einen Verband anzulegen. Er spürte es mehr, als er es sah – aber als er nach der Beifahrerseite schaute, stand da Toni am Wagenfenster und guckte ihm zu.
Das ist nicht mein Tag, dachte Thomas. Und sein zweiter Gedanke war: Wieviel hatte sie gesehen?
Mit dem Ende der Mullbinde zwischen den Zähnen ließ er das Fenster herunter.
»Soll ich dir helfen?« fragte Toni. »Sven kommt auch gleich, und der hat eben einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, du weißt, wegen Führerschein und so. Der kennt sich richtig gut aus!«
»Himmel, nein!« entfuhr es Thomas.
»Nein, der macht es gut! Kannst es mir glauben! Wir haben geübt!«
»Ich glaube dir das«, sagte Thomas ergeben. »Aber mir ist nur ein Teil aufgegangen, und jetzt befestige ich es wieder. Das geht schon.«
Warum habe ich nicht Saskia gepackt und mich nachher schlafen gelegt? fragte er sich. Was will ich eigentlich hier?
»Na, gut«, sagte Toni und lief zum Haus hinüber. »Aber wenn du Hilfe brauchst …«
Thomas machte den Verband fest und lief rüber auf die andere Straßenseite. Ein Roller kam angebrettert, und Thomas machte einen schnellen Schritt zur Seite. Eine verbundene Hand reichte, sein Bein wollte er behalten. Es war Sven, der den Fahrdienst für Tonis Freundinnen machte, weil die Busse so unpraktisch verkehrten.
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