Röslein stach by Mischke Susanne
Autor:Mischke, Susanne [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Arena
veröffentlicht: 2014-10-24T00:00:00+00:00
17.
Das Grab war bereits ausgehoben, der Erdhaufen befand sich hinter dem groÃen, breiten Gedenkstein, in den stilisierte Rosen eingemeiÃelt waren. Die Ränder der rechteckigen Grube waren sauber abgestochen und mit grünem Filz bedeckt, davor stand der schlichte schwarze Sarg. Mit dem weiÃen Blumenbukett darauf sah er sehr elegant aus. In einiger Entfernung lungerten zwei städtische Angestellte vor einem Minibagger herum und warteten darauf, das Grab zuschaufeln zu können.
Der Pfarrer machte es kurz. »Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden. Unser Herr Jesus Christus möge dich auferwecken am Jüngsten Tag.«
Robert verfolgte die Vorgänge mit unbewegter Miene, aber als der Sarg schlieÃlich von vier schwarz gekleideten Männern an Seilen hinabgelassen wurde, bemerkte Antonia, dass er feuchte Augen hatte. Sie fand es rührend, dass er um eine alte Dame weinte, die er kaum gekannt hatte.
Der Pfarrer hielt nun ein kleines Schäufelchen in der Hand. Damit warf er Erde auf den Sarg, was ein dumpfes Prasseln erzeugte. »Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub«, zitierte er und dann segnete er die Verstorbene und die Trauergemeinde. Noch mehr krümelige Erde und Blumen wurden auf den Sarg geworfen, auch Robert und Antonia hatten kleine SträuÃe aus dem Garten mitgebracht, die sie nun in die Grube warfen. Antonia überkam dabei ein seltsames Gefühl, eine Art Weltschmerz, eine unbestimmte Trauer über all das Traurige, was das Leben mit sich brachte. Sie dachte an ihre Mutter, die sie nachher unbedingt noch einmal anrufen wollte. Vor lauter Freude über das neue Fahrrad hatte sie es vorhin ganz vergessen.
Die Beerdigung war zu Ende, die Leute zerstreuten sich rasch. Nur Robert blieb nachdenklich vor der Tafel stehen und damit zwangsläufig auch Antonia.
Robert seufzte und sagte bitter: »Das ist dann alles, was übrig bleibt: Erde, Asche und Staub.«
Danach schwiegen sie eine Weile.
SchlieÃlich deutete Robert auf eine der Inschriften, die in den grauen Stein der Gedenktafel eingemeiÃelt worden waren und die Namen derer verkündeten, die hier schon begraben worden waren: Ingrid Kluge, geborene Riefenstahl. Die Goldbuchstaben glänzten noch frisch. Sie war erst im Februar letzten Jahres gestorben.
»Das war ihre Tochter, hat sie mir erzählt«, erklärte Robert. »Und Sonja Kluge war ihre Enkelin.«
Bei Sonja standen unter dem Namen die Daten: 15.6.1971 â 28.7.1991.
Sie war nur zwanzig Jahre alt geworden, erkannte Antonia, und dennoch hatte ihre Mutter sie fast um zwanzig weitere Jahre überlebt. Und ihre GroÃmutter alle beide. Das Sterben war in dieser Familie völlig widernatürlich verlaufen.
»Sonja Kluge ist das Mädchen, das in unserem Haus ermordet worden ist«, sagte Robert.
»Im⦠im Dachzimmer?« Der Ausdruck Mörderzimmer, den sie sonst mit wohligem Schaudern oder auch mit einem ironischen Augenzwinkern benutzten, erschien Antonia auf einmal unpassend.
Robert nickte.
Etwas an seiner Haltung verriet Antonia, dass er dieses Mal keine Geschichten erfand. Die verblassten Goldbuchstaben lieÃen das, was Antonia bisher für eine gruselige Legende gehalten hatte, plötzlich verstörend real werden.
Sie waren die Letzten an der Grabstätte, die Arbeiter, die neben ihrem Minibagger standen, blickten bereits ungeduldig zu ihnen herüber, also wandten sie sich zum Gehen.
Apropos Dachzimmer â Antonia erschien der Zeitpunkt günstig, ein heikles Thema anzusprechen:
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