Quo Vadis by Henryk Sienkiewicz
Autor:Henryk Sienkiewicz [Sienkiewicz, Henryk]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783894797010
Amazon: B005FHURK6
Herausgeber: Nicolaische Verlagsbuchhandlung
veröffentlicht: 2011-08-01T22:00:00+00:00
XXXIV
Vinicius machte hierauf mit Lygia einen Spaziergang im Garten und schilderte ihr in Worten, die ihm aus dem Herzen kamen, dasselbe, was er den Aposteln kurz zuvor bekannt hatte: die Unruhe seiner Seele, die in ihm vorgegangenen Veränderungen, die unendliche, sein Leben umdüsternde Sehnsucht, seitdem er Miriams Haus verlassen. Er gestand ihr, daß er versucht habe, sie zu vergessen, es ihm aber nicht gelungen sei. Ganze Tage und Nächte denke er an sie. Das kleine Kreuz aus Buchsbaumzweigen rufe sie ihm beständig ins Gedächtnis – jenes Kreuz, das er ins Lararium gebracht und unwillkürlich als etwas Göttliches verehre. Sein Verlangen nehme stets zu; denn die Liebe, die ihn schon im Hause des Aulus ergriffen habe, sei stärker als er. Die Parzen spännen den übrigen Menschen den Lebensfaden, ihm aber Liebe, Verlangen und Schmerz. Seine Tat sei böse gewesen, ihr Beweggrund jedoch die Liebe. Er habe sie geliebt im Hause des Aulus, auf dem Palatin, im Ostrianum, wo sie den Worten des Apostels gelauscht, dann, als er mit Kroton gekommen sei, sie zu entführen; er habe sie geliebt, als sie an seinem Lager gewacht und ihn verlassen habe. Darauf sei Chilon gekommen, habe ihm ihre Wohnung entdeckt und geraten, sich ihrer ein zweites Mal zu bemächtigen; statt dessen habe er Chilon strafen lassen und sei lieber zu den Aposteln gegangen, um die Wahrheit zu erfahren. Er segne den Augenblick, der ihm diesen Gedanken eingegeben; denn jetzt sei er an ihrer Seite, und sie werde nicht mehr vor ihm fliehen wie in Miriams Hause.
„Ich floh nicht vor dir“, sagte Lygia.
„Warum entferntest du dich denn?“
Sie erhob ihren feurigen Blick zu ihm, senkte darauf ihr errötendes Angesicht und sagte:
„Du weißt …“
Vinicius schwieg einige Minuten im Übermaße seines Glückes, und dann redete er weiter; sein geistiges Auge öffne sich mehr und mehr, er erkenne, daß Lygia von den römischen Frauen ganz verschieden sei und nur Pomponia gleiche. Er könne sich aber nicht klar darüber ausdrücken, sein Fühlen nicht erklären; er wisse nur, daß eine Schönheit neuer Art mit ihr der Welt erschienen sei, eine Schönheit, die bis zu dieser Zeit nicht vorhanden gewesen, eine Schönheit, die nicht Stein, sondern Geist und Leben sei. Lygia war entzückt, als er ihr sagte, er liebe sie eben darum, weil sie vor ihm geflohen sei, und sie werde ihm heilig sein an seinem Herde. Dann ergriff er ihre Hand; er konnte nicht weiterreden, betrachtete sie aber voll Entzücken als seines Lebens Glück, das er errungen hatte, und wiederholte ihren Namen, als ob er sich versichern wolle, daß er sie gefunden habe und sie ihm nahe sei:
„O Lygia, Lygia!“
Endlich fragte er sie nach ihren eigenen Gefühlen, und sie bekannte, daß sie ihn schon im Hause des Aulus geliebt habe; hätte er sie vom Palatin ihren Pflegeeltern zurückgegeben, so würde sie Aulus und Pomponia ihre Liebe gestanden und versucht haben, ihren Zorn gegen ihn zu besänftigen.
„Ich schwöre dir“, sagte Vinicius, „daß mir nicht der leiseste Gedanke kam, dich Aulus zu entziehen. Petronius kann dir erzählen, daß ich ihm sagte, wie ich dich liebte, dich zu heiraten wünschte.
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