Psychologische Grundlagen der Gerontologie by Mike Martin Matthias Kliegel
Autor:Mike Martin,Matthias Kliegel
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bookwire GmbH
veröffentlicht: 2014-09-29T16:00:00+00:00
Abb. 5.9: Phasenmodell des prospektiven Gedächtnisses
Die erste Phase war eine Einführungsphase, in der neben einer generellen Einführung den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die komple XE prospektive Mehrfachaufgabe erklärt wurde und diese dann einen Plan entwickeln mussten, wie sie die sechs Aufgaben unter den gegebenen Umständen später zu bearbeiten gedenken. Dies entspricht der ersten Phase des z. B. von Ellis (1996) theoretisch so postulierten Prozesses prospektiven Erinnerns – der prospektiven Intentionsbildung. Um den an dieser Stelle von den Versuchspersonen entwickelten Plan messbar zu machen, wurde ein Bewertungsmaßstab entwickelt, der die Pläne anhand ihrer Komplexität beurteilt. Zusätzlich wurde in dieser Studie an dieser Stelle eine traditionelle prospektive Aufgabe (»single-task«-Design) gestellt, die darin bestand, die Armbanduhr abzugeben und sie am Ende des Experiments wieder zu verlangen (Wilson, 1996).
Gemäß dem charakteristischen Ablauf des prospektiven Gedächtnisprozesses folgte hierauf eine delay-Phase, in der der Großteil der potentiellen kognitiven Einflussgrößen (Arbeitsgedächtnis, retrospektives Gedächtnis und Inhibition) erhoben wurde. Zusätzlich wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in dieser Phase gebeten, ihren zuvor entwickelten Plan wiederzugeben. Dies ermöglichte zu kontrollieren, ob und in welchem Umfang die gefasste Intention (noch) im retrospektiven Gedächtnis präsent war. Hierzu wurde überprüft, wie viel Prozent des ursprünglichen Plans an dieser Stelle erinnert werden konnten. Somit konnte erstmals innerhalb einer Aufgabe die retrospektive von der prospektiven Komponente direkt differenziert werden.
Die dritte Phase beinhaltete schließlich die Initiierung und Ausführung des Plans. Es war den Versuchspersonen in der Einführungsphase gesagt worden, dass sie diese sechs Aufgaben im zweiten Teil des Experiments zu bearbeiten hätten, und zwar genau dann, wenn sie in einem Fragebogen eine bestimmte Frage beantwortet haben würden – die nach ihrem Geburtstag (Initiierung). Zusätzlich wurde überprüft, wie vollständig die Versuchspersonen die ursprüngliche Intention der Bearbeitung der sechs Aufgaben ausführten. Somit war es möglich, die Planungs- von der Ausführungsphase zu unterscheiden.
Eine wesentliche Hypothese der Studie ging dahin, dass die hier entwickelte prospektive Aufgabe den Konzeptionen von prospektivem Gedächtnis entspricht. Diese Konzeptionen besagen, dass das Gedächtnis ein komplexer, multi-phasischer Prozess ist. Weiter wurde davon ausgegangen, dass es aufgrund der kognitiven Einflussfaktoren bei diesem Aufgabentyp zu Alterseffekten in den verschiedenen Phasen der komplexen prospektiven Mehrfachaufgabe kommen sollte. Ferner wurde erwartet, dass die traditionelle prospektive Aufgabe eher dem zweiten, quasi-automatischen Typ zuzuordnen ist und es hier daher keine Alterseffekte zu beobachten geben würde.
Kliegel, McDaniel und Einstein (2000) überprüften diese Hypothesen in einer Studie mit 62 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (31 jüngere Personen im mittleren Alter von 26.5 Jahren und 31 ältere Probanden im mittleren Alter von 71.3 Jahren). Beide Gruppen waren vergleichbar bezüglich des Geschlechtes, des subjektiven Gesundheitsstatus und des Bildungsstatus.
Insgesamt wurden die Hypothesen im Wesentlichen bestätigt. Bei der traditionellen prospektiven Gedächtnisaufgabe zeigte sich kein signifikanter Abfall der prospektiven Gedächtnisleistung in der Gruppe der älteren Versuchsteilnehmenden verglichen mit den jüngeren Probanden. Die älteren Personen waren hier sogar etwas besser als die jüngeren. Im Gegensatz hierzu zeigten sich in drei Komponenten der prospektiven Mehrfachaufgabe die vorhergesagten Alterseffekte. Sowohl die Planqualität/-komplexität als auch die Leistung in den beiden eigentlichen Maßen für das prospektive Gedächtnis (Initiierung und Ausführung des Planes) waren geringer in der Gruppe der älteren Erwachsenen.
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