Printenprinz by Kurt Lehmkuhl

Printenprinz by Kurt Lehmkuhl

Autor:Kurt Lehmkuhl [Lehmkuhl, Kurt]
Die sprache: deu
Format: epub
Amazon: B00DJ0HV9Q
Herausgeber: GMEINER
veröffentlicht: 2013-06-30T17:00:00+00:00


Lieselotte scheuchte ihn mit einer energischen Handbewegung in ihr Büro, als er durchgefroren in der proppenvollen Apotheke erschien. Momentan hatte sie keine Zeit für ihn, die Kunden gingen vor.

Nach seinem Besuch bei Hamacher hatte Böhnke unangemeldet einen Abstecher in die Apotheke gemacht, bevor er am Nachmittag bei Grundler aufschlagen würde. Er hatte auf einen Bus oder ein Taxi verzichtet und war zu Fuß durch die Stadt gelaufen. Während seiner Dienstzeit hatte er Aachen fast nur aus der Sicht eines Autofahrers kennengelernt. Viel hatte er dabei von der alten Kaiserstadt nicht mitbekommen. Er kannte sich ein wenig im Bereich seiner damaligen Mietwohnung an der Stephanstraße aus, einer reinen, innerstädtischen Wohnstraße, in der mehrheitlich entweder ältere Paare oder junge Studenten wohnten, dann in der Innenstadt rund um den Dom, in der Lieselotte ihre Apotheke betrieb und in der sie eine Eigentumswohnung in einem modernen Mehrfamilienhaus besaß. Damit war sein Wissen über die Aachener Straßen und Quartiere schon erschöpft. Erst als Pensionär hatte er dazugelernt und lernte immer noch hinzu, wenn er die Stadt auf Schusters Rappen durchschritt.

Zum wiederholten Male gratulierte er sich zu seiner spontanen Entscheidung, nach dem vorzeitigen Dienstende seine Zelte in der Leere der Nordeifel aufzuschlagen und statt in einer kleinen Wohnung in Aachen in Huppenbroich zu leben. Lieselotte hatte den Hühnerstall geerbt und gemeinsam hatten sie ihn zu einem gemütlichen Häuschen umgebaut. Verloren hatte er durch den Umzug in die Nordeifel nichts, im Gegenteil. Dank Lieselotte und Grundler lernte er das friedliche Aachen kennen mit seiner kulturellen Vielfalt sowie seinen grünen Inseln und somit die angenehmen Seiten der Stadt, von der er zuvor vornehmlich die kriminellen wahrgenommen hatte. Aachen war ja, so gesehen, eine größerer Vorort von Huppenbroich.

Ermattet ließ er sich auf einen Stuhl sinken. Der Weg war doch länger und anstrengender gewesen, als er gedacht hatte. Zwar hatte der Regen endlich aufgehört, aber immer noch blies der ungewöhnliche Ostwind die Eiseskälte ins Gesicht. Aachen war als Regenloch bekannt, wenn sich die Wolken, die sich über der Nordsee gebildet hatten, vom Westwind getrieben, an den ersten Eifelhängen abregneten. Aber diese Konstellation mit Ostwind und gewaltigen Regengüssen, die war ungewöhnlich und laut meteorologischer Fachliteratur nahezu ausgeschlossen. Doch die Natur hielt sich weder an die Wetterkunde noch an Expertenmeinungen.

Er geduldete sich, bis Lieselotte endlich Zeit für ihn hatte.

»Warum hast du überhaupt ein Handy?«, fragte sie ungehalten, nachdem sie die Bürotür geschlossen hatte.

Mit dieser schroffen Eröffnung hatte er nicht gerechnet.

»Da will ich dir etwas sagen, und du hast das Ding nicht an«, sagte sie vorwurfsvoll.

Er konnte ihr nicht widersprechen. Bei seiner Busfahrt nach Aachen hatte er das mobile Telefon ausgeschaltet, nachdem urplötzlich der Radetzky-Marsch in seiner Hosentasche ertönt war und seine Mitreisenden ihn hämisch oder böse grinsend ins Visier genommen hatten. Jemand hatte sich verwählt. Noch so eine Peinlichkeit vor allen Leuten hatte er sich ersparen wollen. Prompt hatte er vergessen, das Gerät nach seiner Ankunft wieder zu aktivieren.

Wenn Lieselotte ihn über Handy hatte erreichen wollen, musste es dringend gewesen sein. Nur im äußersten Falle würde sie ihn belästigen, hatte sie ihm versprochen, nachdem sie ihn endlich dazu gebracht hatte, sich ein Mobiltelefon anzulegen.



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