Pioniere -: Roman (German Edition) by Mann Phillip

Autor:Mann, Phillip [Mann, Phillip]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2014-10-29T23:00:00+00:00

Das Frühstück am nächsten Morgen war eine richtige Mahlzeit, nicht dünner Haferschleim und Toast. Der Pfleger schien aufgeregt und geschäftig. Er schüttelte mein Kissen auf. »Ein besonderer Tag«, sagte er und nickte mir zu, als sollte ich dankbar sein.

»Was soll sein?«, fragte ich.

»Sie werden schon sehen.«

Dann wartete er abseits, während ich aß, und als ich fertig war, räumte er mein Tablett hinaus und brachte mir eine Wasserschüssel nebst Seife und Handtuch. »Waschen Sie sich ordentlich, vor allem dieses Ding da«, sagte er und deutete mit einem Nicken auf meine Klaue. »Manchmal stinkt es so schlimm, dass es einem hochkommt.«

Das war das erste Mal, dass jemand so etwas über meine Klaue gesagt hatte.

Als er fort war, wusch ich mich gemächlich, freute mich am Wasser und schenkte meiner Klaue tatsächlich besondere Aufmerksamkeit. Ich polierte sie und zog sie zurück und ließ sie wieder vorschnellen, beroch sie von allen Seiten, konnte aber nichts daran aussetzen.

Ich versteckte Ariadnes Halstuch unter meinen eigenen Sachen, dann hüpfte ich wieder ins Bett und glättete die Decke und wartete auf den Arzt. Ein paar Minuten später kam er geschäftig mit zwei Begleitern herein und machte sich daran, alle Verbände zu wechseln.

»Ist was Besonderes?«

»Wieso?«

»Sie machen mich zurecht wie einen Pharao.«

»Einen was?«

»Unwichtig. Ist was Besonderes?«

»Es kommt eine Inspektion, das ist alles. Man will sich über Ihren Zustand unterrichten. Sich vergewissern, dass Sie hier gut versorgt worden sind.«

»Bin ich gut versorgt worden?«

»Sie haben sich sehr rasch erholt. Ihr Stoffwechsel setzt mich in Erstaunen.«

»Das meinte ich nicht. Mich hier allein zu halten, ohne Besucher, ohne Information über die Außenwelt: Nennen Sie das ›gut versorgt‹?«

»Mir geht es nur um Ihr körperliches Wohlbefinden. Und ich bin sehr beschäftigt. In anderen Flügeln, weit entfernt von diesem isolierten kleinen Raum, gibt es Krankenzimmer mit Menschen, die nicht Ihren eingebauten Überlebensmechanismus haben. Sie wurden von Ihnen und Ihresgleichen schwer verletzt und verstümmelt. Noch immer sterben jeden Tag einige. Wir haben nicht alle Medikamente, die wir benötigen. Aber wir haben genug Berufsethos, um jemanden wie Sie am Leben zu erhalten, und wir verstecken Sie hier unten, damit niemand davon erfahre. Sonst würden wir Gefahr laufen, dass das Krankenhaus angegriffen wird. Guten Tag. Ich habe noch weitere Patienten. Ich hoffe, Sie werden Ihre Freude an der Inspektion haben.«

Natürlich sagte er es nicht, aber ich denke mir, dass er in den ersten Tagen hier, als ich verletzlich wie ein schlafendes Kätzchen war, versucht gewesen sein musste, meine Wunden zu erweitern oder eine Arterie zu öffnen. Er widerstand der Versuchung, zu seiner Ehre sei es gesagt. Schweigend packte er Instrumente und Verbandmaterial ein. Ich sah ihm zu, und dann sagte ich: »Kopf hoch, Doktor! Wir alle haben bisweilen Arbeit zu verrichten, die uns nicht gefällt. Danke, dass Sie mich gerettet haben.« Er antwortete nicht, sondern eilte hinaus, gefolgt von seinen Assistenten.

Ich lag in meinem sauberen Bett in dem abgesperrten Raum, starrte die Fliesen an und wartete und wartete.

Endlich entstand im Korridor vor meiner Tür Bewegung. Ich hörte Anweisungen und Schritte, die sich näherten. Der Schlüssel rasselte, die Tür sprang auf, und zwei bewaffnete Soldaten marschierten herein.

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