Pilzsaison by Bernd Franzinger

Pilzsaison by Bernd Franzinger

Autor:Bernd Franzinger
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Kriminalroman
ISBN: 9783839231340
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2009-09-25T13:22:51+00:00


»Wolf, mir gehen diese Gedichte einfach nicht mehr aus dem Kopf«, sagte Heiner Tannenberg, nachdem er es sich am Küchentisch der brüderlichen Wohnung gemütlich gemacht hatte.

»Wieso Gedichte, wieso Mehrzahl?«, fragte der SOKO-Leiter, während er einen Espresso servierte. »Warst du etwa zu Hause, als die zweite Postkarte angekommen ist? Natürlich warst du zu Hause!«, dämmerte es Tannenberg. »Der arme Herr Lehrer hat ja jetzt sechs Wochen Sommerferien. Entschuldige, da hab ich wirklich im Moment nicht dran gedacht.«

»Akzeptiert! Also, Wolf, ich hab die beiden Gedichte miteinander verglichen.«

»Wieso konntest du das?«, fragte der Kriminalist erstaunt. »Du hast doch den Text von der ersten Postkarte gar nicht.«

»Wolf, manchmal unterschätzt du mich ganz gewaltig, weißt du das eigentlich?«

»Ist mir ehrlich gesagt noch nie aufgefallen.«

»Dann wird’s aber mal Zeit! Denn so schlecht ist mein Gedächtnis nun auch wieder nicht. Ich hab mir das Pfifferling-Gedicht natürlich gemerkt und aufgeschrieben. Und das zweite hab ich mir selbstverständlich von der Postkarte abgeschrieben, bevor es Mutter in das Kuvert gesteckt hat. Also auf den ersten Blick sehen die beiden Gedichte sehr ähnlich, um nicht zu sagen identisch aus. Dasselbe Versmaß, dieselbe Strophen- und Silbenzahl, dieselbe Reimform, wieder diese vier bestimmten Artikel am Anfang: Der – Der – Die – Der. Was bezweckt der Mörder nur damit, hab ich mich gefragt?«

»Das frag ich mich auch die ganze Zeit über. Aber ich hab keine Ahnung, keinen blassen Schimmer. Ich weiß es wirklich nicht, Heiner. Allmählich glaube ich, dass diese Sache einfach eine Nummer zu groß für mich ist«, seufzte Tannenberg.

»Ach Quatsch, Bruderherz, du schaffst das schon! Als Vater in der Stadt war, hab ich mal ein bisschen im Internet gesurft. Und bin auf einige interessante Sachen gestoßen.«

»Auf was denn?«, fragte Tannenberg neugierig.

»Ich hab einfach mal nachgeschaut, was es so alles zum Thema ›Zahlen und ihre Magie‹ gibt. Das war wirklich interessant! Die Zahl Vier ist in den Gedichten ja ziemlich dominant, wegen der komischen bestimmten Artikel in der ersten Strophe und wegen der vier Zeilen, aus denen jede Strophe besteht. Und natürlich die Zahl Acht, weil jede Zeile genau acht Silben aufweist. Wenn man die beiden Zahlen miteinander vergleicht, fällt einem auch ohne Internetrecherche sofort auf, dass acht das Doppelte von vier ist bzw. vier die Hälfte von acht.«

»Das kapier sogar ich. Aber Heiner, glaubst du wirklich, dass uns diese Spekulationen weiterbringen?«, wandte Tannenberg skeptisch ein.

»Wart’s ab. Du hörst dir jetzt erstmal an, was ich gefunden habe, und dann entscheidest du selbst darüber, ob du was damit anfangen kannst oder nicht.«

»Okay.«

»Also: Man unterscheidet die Zahlenmagie, die sich mit der Bedeutung einer einzelnen Zahl beschäftigt, von der Numerologie – da geht’s um das Zusammenrechnen von einfachen Zahlen zu Zahlen höherer Ordnung und die daraus abzuleitenden Rückschlüsse auf spezifische Persönlichkeitsmerkmale der zu beurteilenden Menschen.«

»Mach’s nicht so kompliziert. Berücksichtige bitte, dass du es hier nicht mit einem deiner hochintelligenten Lehrerkollegen zu tun hast, sondern nur mit einem minderbemittelten Kriminalbeamten«, gab Tannenberg zu bedenken.

»Also gut, dann für dein extrem begriffsstutziges Kriminalistenhirn ganz komprimiert: Die Vier ist, wegen der vier Elemente, das Symbol für die positiven Kräfte der Natur, aber auch für das Zerstörerische in ihr.



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