Piagnolia by Matthias von Arnim

Piagnolia by Matthias von Arnim

Autor:Matthias von Arnim
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Die Werkstatt
veröffentlicht: 2014-08-25T00:00:00+00:00


Montag, 30. April 1934,

noch 41 Tage bis zum Endspiel

Oberst Vittorio Briccone saß zusammengesunken in seinem Bürosessel. Er wirkte fahrig, spielte nervös mit einem Bleistift und war in Gedanken offensichtlich bei einem sehr beunruhigenden Thema, denn als Achille Starace eintrat, nahm Briccone ihn kaum wahr. Achille Starace war verblüfft. Er hatte einen gut gelaunten Oberst erwartet. Am Morgen hatte der Oberst schließlich beim Duce vorgesprochen. Er hatte mit Sicherheit stolz von seinem gelungenen Coup erzählt, von der Spezialwette, der Bestechung der Torwarte in Antwerpen und den hohen Gewinnen an den Wettbörsen. Doch Oberst Briccone schien alles andere als zufrieden.

„Was ist los? Hat irgendetwas nicht geklappt?“, fragte Achille Starace.

„Nein, nein“, antwortete Briccone. „Alles bestens. Wir haben die Wettscheine eingelöst. In New York läuft alles prima. Wir haben bereits unsere Wetten für das Spiel Mexiko gegen die USA platziert. Alles in Ordnung.“

„Und … sollten wir nicht feiern? Bis jetzt ist doch alles gut gelaufen?“, setzte Starace nach.

„Ja. Das sollten wir. Eigentlich. Aber wir haben ein neues Problem.“

„Welches?“

„Wir sind zu erfolgreich.“

„Was meinst du damit?“

„Der Duce ist völlig aus dem Häuschen gewesen, als ich ihm von den Wetten erzählt habe. Er hat mich sogar umarmt. Er hat sich gefreut wie ein Kind, als ich ihm die Summe genannt habe, die wir mit dem Belgien-Spiel eingestrichen haben.“

„Das klingt doch gut. Wo ist das Problem?“ Achille Starace konnte Briccones Verdruss nicht nachvollziehen.

„Das Problem ist, dass Mussolini darauf pocht, dass wir das jetzt immer so machen.“

„Was genau?“

„Das mit den Spezialwetten. Wir sollen auf Ergebnisse tippen. Das gibt bessere Quoten. Und weil wir es ja beeinflussen könnten, wie die Spiele ausgehen, sollten wir diese Möglichkeit doch nutzen, hat er gesagt. Außerdem sollen wir die Wetteinsätze deutlich erhöhen. Der Mann ist komplett verrückt!“, schimpfte Oberst Briccone. „Es macht fast den Eindruck, als ob Benito seinen kompletten Staatshaushalt mit Fußballwetten sanieren will. Mit Fußballwetten! Was glaubt der? Dass wir jedes Spiel bis aufs einzelne Tor vorherbestimmen können? Dass wir damit das Verschuldungsproblem Italiens lösen?“

„Das kann ja nicht sein Ziel sein. So viele Spiele gibt es in der Endrunde der Weltmeisterschaft gar nicht“, warf Achille Starace ein.

„Es sind noch 17 Spiele, um genau zu sein. Das letzte Qualifikationsspiel Mexiko gegen USA, acht Achtelfinalspiele, vier Viertelfinalspiele, zwei Halbfinale, das Spiel um Platz drei und das Endspiel. Aber das ist dem Duce nicht genug“, rechnete Briccone vor.

„Was heißt nicht genug? Will er weitere WM-Spiele erfinden?“, fragte Starace erstaunt.

„Nein. Aber er will auch nach der Weltmeisterschaft noch mit Wetten Geld verdienen. Wir sollen nach der WM unser Wettprinzip auf die italienische Fußball-Liga übertragen“, erklärte Oberst Briccone.

„Nein.“

„Doch.“

„Aber wir können doch nicht ewig so weitermachen! Das klappt doch niemals“, protestierte Achille Starace.

„Richtig. Irgendwann werden wir Fehler machen und Geld verlieren. Man kann so ein System nicht ewig durchhalten. Vor allem nicht, wenn wir ständig mit hohen Einsätzen am Limit spielen.“

„Aber das muss der Duce doch wissen …“, warf Starace ein.

„Der Duce? Dieses Rhinozeros? Mussolini hat überhaupt keine Ahnung! Von nichts! Der amüsiert sich mit seinen Mätressen und lässt andere die Arbeit machen!“ Briccone hatte sich in Rage geredet.



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