Pferdefruehling by Christiane Gohl

Pferdefruehling by Christiane Gohl

Autor:Christiane Gohl [Gohl, Christiane]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783414821331
Google: OUCsIky6rk0C
Herausgeber: Boje
veröffentlicht: 2008-11-14T23:00:00+00:00


Lena ritt Joker bereits ab, als wir Mano abgesattelt und mit seinem Heunetz auf den Hänger gestellt hatten. Er sah großartig aus. Unter all den Durchschnittspferden der A-Dressurteilnehmer wirkten seine Bewegungen etwa so, als hätte sich ein Balletttänzer in die Ententanzvorführung einer Grundschule verirrt.

Wiebke und Svenja lästerten allerdings in schönster Eintracht über die viel zu tiefe Abstellung. Kurz gesagt: Joker wurde wieder aufgerollt. Entsprechend unglücklich sah er auch aus. Immerhin ging es ihm etwas besser, als Frau Müller-Westhoff und Lena schließlich tauschten. Frau Müller-Westhoff schien ihr Make-up vorher extra noch einmal erneuert zu haben, und als sie oben saß, polierte Lena ihr rasch noch die Unterseite ihrer glänzenden Lederstiefel.

»Das habt ihr eben versäumt!«, bemerkte Thorsten. »Kein Wunder, dass ich nicht gewonnen habe.«

Thorsten selbst war noch etwas schlammverschmiert, aber daran war er gewöhnt – und ich auch. Schließlich erforschte er im Rahmen einer Reitstunde fast immer die Bodenbeschaffenheit und lief dann den Rest des Tages herum wie das Monster aus dem Sumpf.

Frau Müller-Westhoff und Joker sahen eher aus wie Olympiateilnehmer als wie die Absolventen einer A-Dressur, die im Allgemeinen eine kurze Nacht und etliche Stunden Putz-, Flecht- und Verladestress hinter sich hatten, bevor sie aufs Pferd kamen. Allerdings fehlte Frau Müller-Westhoff der Biss. Frau Witts Rundumbetreuung hatte sie wohl ein wenig verweichlichen lassen. So versäumte sie das lautstarke Gebrüll »Anfang hier!«, mit dem der frechste Reiter traditionell den Kampf um die Abteilungsbildung in den Dressuren begann, in denen mehrere Reiter auf einmal starteten. Frau Müller-Westhoff schien der Meinung zu sein, die Richter würden Joker schon automatisch am Anfang einer Abteilung platzieren. Diese jedoch sahen dem Hauen und Stechen in der Bahn tatenlos zu. Schließlich landete ein Mädchen auf einem weißen Kleinpferd ganz vorn, dahinter ein anderes mit einem großen Rappen. Ganz hinten, auch ein beliebter Platz, weil man dann wenigstens nach der Vorhandwendung die Tête bildete, reihte sich ein dicker Brauner ein. Frau Müller-Westhoff ritt an dritter Stelle.

»Das ist aussichtslos, da verhungert das Pferd«, bemerkte Wiebke – wieder ein Ausdruck für mein Vokabelheft »Pferdisch«. Irgendwann werde ich ein Buch veröffentlichen: »Pferdefachsprache: Lästern leichtgemacht«.

Immerhin war dieses Mal sofort zu erkennen, was Wiebke meinte. Das Mädchen auf dem Pony trabte in Zeitlupe, schon der Rappe an zweiter Stelle hatte Schwierigkeiten, sich anzupassen. So langsam konnten die großen Pferde einfach nicht traben, sie hätten beinahe piaffieren müssen. Joker hätte das vielleicht sogar geschafft, aber Frau Müller-Westhoff versuchte, das Tempo nur über die Zügel zu kontrollieren, und das klappte natürlich nicht. Im Galopp wurde es vollends chaotisch, und als Joker schließlich unplanmäßig in den Stechtrab fiel, verrutschte auch Frau Müller-Westhoffs Sitz. Mit hörbarem »Plopp« wurde sie im Sattel hin- und hergeschleudert – das gute alte »Presslufthammerfeeling«.

»Sieht nicht nach Schleife aus«, fasste Thorsten das Debakel zusammen.

Ich seufzte. »Hoffentlich verkauft sie ihn nicht gleich wieder!«

Frau Müller-Westhoff wirkte allerdings nicht geknickt, als wir sie vor der folgenden L-Dressur auf dem Abreiteplatz wiedertrafen. Lena rollte Joker vor dem Start noch mal tüchtig durch – diesmal mit der Kandare im Maul.

»In der A war er einfach unterfordert!«, erklärte uns Frau Müller-Westhoff.



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