Perfect Ways by Stefan Wollschläger

Autor:Stefan Wollschläger [Wollschläger, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-08-04T16:00:00+00:00

12. Luigi

Um 21:45 Uhr standen Thomas und Nayeli in Locarno an einem Steingeländer und blickten über den Lago Maggiore. Selbst um diese Tageszeit war es noch warm und ein leichter Duft von Lavendel lag in der Luft. Auf dem Wasser kehrten die letzten Boote zurück an ihre Anleger. Direkt am Ufer standen Palmen, aber alles war umgeben von einer fabelhaften Bergkulisse. Eigentlich wäre alles perfekt. Wenn sie sich jetzt im Urlaub befänden und in ihr Hotel gehen könnten, um diesen Abend in kuscheliger Ruhe ausklingen zu lassen, dann wäre alles perfekt.

Die Fahrt war reibungslos verlaufen.

Der Himmel war aufgeklart und sie konnten ohne Verdeck fahren. Sonne, Licht und Wärme wirkten befreiend. Sie waren nicht durch den Gotthard-Tunnel gefahren, sondern hatten stattdessen die alte Passstraße nach Süden genommen, was in ihrem GranCabrio ein außerordentliches Erlebnis gewesen war.

Sie hatten sich unterhalten. Über Erich Maria Remarque, der eine Villa in Porto Ronco gehabt hatte und über Hermann Hesse, der in Montagnola bei Lugano einige seiner wichtigsten Romane geschrieben hatte. Thomas war erstaunt gewesen, dass Nayeli beide Autoren gelesen hatte.

„Natürlich kenne ich Hermann Hesse“, hatte Nayeli gesagt. „Seinetwegen habe ich geglaubt, alle Deutschen wären tiefgründig.“

Sie hatten in einem rustikalen Grotto gesessen, wo sie ein Risotto ai funghi gegessen hatten und einen wundervollen lokalen Wein getrunken hatten.

Vor Locarno hatten sie noch am Lago di Vogorno gehalten und waren auf die Staumauer der Verzasca Talsperre gegangen, wo die Anfangsszene des James-Bond-Films Goldeneye gedreht worden war, denn Thomas wollte ein wenig von der Aura des Geheimagenten in sich aufnehmen. Es gab sogar die Gelegenheit, selbst den Stunt aus dem Film nachzumachen und an einem Bungee-Seil die Staumauer hinabzuspringen, aber das war Thomas dann doch zu viel.

Diese Erlebnisse hatten das, was sie noch vorhatten, unwirklich erscheinen lassen, doch sobald sie um kurz nach 21:00 Uhr das Ortsschild von Locarno passierten, war alles wieder schlagartig da. Das letzte Mal war Thomas an diesem Ort gewesen, als Kristian und Vanessa geheiratet hatten, jetzt war er wieder ihretwegen hier.

„Es ist Zeit, wir sollten gehen.“

Nayeli nickte.

Der Maserati stand auf einem bewachten Parkplatz ganz in der Nähe, so dass sie den Ersatzreifen jederzeit holen konnte. In Thomas' Innentasche vom Jackett befand sich ein Umschlag mit fünftausend Euro in kleinen Scheinen.

Sie überquerten die Promenade, die Via Pramantino lag genau vor ihnen. Thomas fühlte sich nicht mehr so sicher, wie nach dem Grenzübertritt, im Gegenteil, mit jedem Schritt wurde der Kloß in seinem Hals dicker.

Befanden sie sich nicht gerade auf dem Weg zum Schafott? Ich sollte wenigstens noch kurz meinen Anwalt anrufen und mein Testament machen, dachte Thomas. Damit die Firma ordentlich weitergeführt wird. Die Firma war das Einzige, was er hatte, eine Familie gab es nicht. Die Person, mit der er sich vorstellen konnte, eine zu haben, humpelte hier neben ihm.

Es war doch Wahnsinn, dass sie beide dieses Risiko eingingen! Was konnte Nayeli mit ihren Krücken denn schon machen, die waren ja nicht einmal spitz unten. Aber wenn es zu einem Kampf kam, dann war es sowieso aus. In Wahrheit beruhigte es Thomas, dass Nayeli bei ihm war.

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