Paul ohne Jacob by Paula Fox

Paul ohne Jacob by Paula Fox

Autor:Paula Fox [Fox, Paula]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838708645
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2011-03-16T23:00:00+00:00


DIE AUTOBIOGRAFIE

Im ersten Halbjahr der sechsten Klasse, im November, prügelte sich Paul mit Robert Brown.

»Wie geht’s dem Kretin?«, hatte er Paul an einem bleigrauen Nachmittag zugerufen, als die Klasse sich leerte. Robert war in der fünften Klasse sitzen geblieben. Er konnte keinem Lehrer eine Frage beantworten und er ließ dauernd seine Schulbücher fallen.

Paul hatte mit ihm gerauft, obwohl er auf eine Schlägerei nicht scharf war. Es war, als kämpfte man mit einer Vogelscheuche, Lumpen statt Kleider und Stöcke statt Knochen. Aber mit einem Mal biss ihn Robert ins rechte Ohr und es blutete.

»Ach, Paul!«, rief die Schulschwester aus. »Man darf sich doch nicht prügeln. Trotzdem … es war anständig von dir, so treu zu deinem Bruder zu halten. Du bist so ein guter Bruder.«

Woher wusste sie, dass er einen Bruder hatte? Wusste die ganze Stadt Bescheid? Er sagte sich, dass er von dem Biss bestimmt Tollwut kriegen würde.

»Robert weiß ja gar nicht, was er da sagt«, sagte sie und drückte ihm einen Verband ans Ohr.

Aber Robert wusste das sehr wohl! Und seine Worte bohrten sich wie Glassplitter in Pauls Herz. Das lag vermutlich daran, dass Paul irgendwo in seinem Inneren Robert Brown recht gab. Jacob war ein Kretin.

»Es blutet nicht mehr«, sagte die Schwester.

Er bedankte sich bei ihr und verließ ihr kleines Sprechzimmer. Draußen auf dem Gang lehnte sein Freund George McCormick gemütlich an einem Schließfach.

»Du kriegst jetzt Tollwut«, sagte George grinsend.

»Das weiß ich«, sagte Paul mit einem gequälten Lächeln. Würde das von dem Biss kommen? Oder von Roberts Frage? Es war irgendwie gespenstisch, Georges Bemerkung zu hören, nachdem sich Paul im Sprechzimmer der Schulschwester insgeheim dasselbe gesagt hatte.

Als er am Nachmittag nach Hause kam, gab seine Mutter gerade eine Klavierstunde. Molly, die junge Frau, die Mrs Coleman für Jacobs Betreuung eingestellt hatte, spielte mit ihm im Esszimmer.

Spielen. Was hieß das schon, wenn es um Jacob ging? Grimassen schneiden, dachte Paul. Nur dass Jacob gar nicht erst Grimassen schneiden musste; sein Gesicht war sowieso schon eine verrückte Dauer-grimasse.

Bei diesem Gedanken durchzuckte Paul so etwas wie Scham, und er ging schnell in die Küche, froh darüber, dass keiner da war, der ihn auf den kleinen Verband an seinem Ohr ansprechen konnte. Er wählte Georges Nummer, und als sein Freund abnahm, sagte er »Hallo« und legte sofort wieder auf, wobei er sich vor Lachen kaum noch halten konnte. Bestimmt musste auch George lachen. Paul wartete einen Moment, dann rief er wieder an. Beim ersten Klingeln wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen.

»Worum ging es bei der Schlägerei?«, fragte George.

Paul zögerte. Er hörte George atmen.

»Um meinen Bruder«, sagte er schließlich.

George fragte nicht weiter. Sie kamen auf andere Dinge zu sprechen und unterhielten sich über alles Mögliche: Schule und Hausaufgaben, Lehrer und andere Schüler, die bevorstehenden Ferien und was sie in dieser herrlichen Zeit, wenn die Schule geschlossen war, alles vorhatten.

Danach empfand Paul ein unbestimmtes Unbehagen, so als hätte er etwas weggelegt und wüsste nicht mehr, wo es war. Mit einem Mal überkam ihn Wut auf ein Honigglas, dessen Deckel er nicht aufbekam. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf.



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