Partitur des Todes by Seghers Jan

Partitur des Todes by Seghers Jan

Autor:Seghers, Jan
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Belletristik/Krimis, Thriller, Spionage
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-12-10T05:00:00+00:00


Vierundzwanzig

Eigentlich hatten sich Monsieur Hofmann und Mademoiselle Blanche darauf gefreut, am Abend in das kleine vietnamesische Restaurant zu gehen, das sie oft am Wochenende besuchten, um frittierte Frühlingsröllchen, Nudelsuppe und Hähnchenfilet in gestockter Kokossahne zu essen. Als sie jedoch am Mittag durch die Rue de Tourtille geschlendert waren, um einen Platz zu reservieren, hatten sie auf dem Zettel an der Tür gelesen, dass die Rouleau de Printemps wegen Krankheit geschlossen war.

«Macht nichts», hatte Mademoiselle Blanche gesagt und stattdessen bei einem der arabischen Metzger am Boulevard de Belleville ein Stück Rindfleisch gekauft, aus dem sie nun ein Bœuf Bourgignon zubereitete. Sie zerkleinerte Sellerie, Lauch und Zwiebel, warf alles in den großen Bräter, in dem das Fleisch bereits Farbe angenommen hatte, ließ das Gemüse noch einen Moment mitbraten und löschte dann alles mit Rotwein ab.

Monsieur Hofmann hatte gar nicht erst gefragt, ob er ihr zur Hand gehen solle, da er wusste, dass sie ein solches Angebot mit großer Bestimmtheit abgelehnt hätte. Bei den wenigen Malen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten versucht hatten, gemeinsam zu kochen, waren sie sich nach kurzer Zeit so heftig in die Haare geraten, dass die Tage jedes Mal mit einer nachhaltigen Missstimmung geendet hatten. Sie schnitt die Zwiebeln nicht klein genug, er ließ das Fett zu heiß werden, und beide mochten nicht, wie der andere die Kartoffeln schälte. So hatten sie irgendwann beschlossen, dass jeder in seiner eigenen Wohnung für die Bewirtung des anderen allein zuständig war.

Darüber hinaus war Mademoiselle Blanche froh, die Zeit in der Küche für sich zu haben, da Monsieur Hofmann die letzten Tage und Nächte bei ihr verbracht hatte, um, wie er sagte, den Reportern aus dem Weg zu gehen, die an der Place Nadaud vor seiner Haustür lungerten und ihn immer wieder nach seiner Vergangenheit und nach dem Geheimnis einer Sommernacht befragen wollten.

Allerdings ahnte sie, dass er noch einen anderen Grund hatte, den er aber weder ihr noch sich selbst eingestehen wollte. Sein öffentliches Bekenntnis zu seiner Herkunft hatte ihn so nachhaltig erschüttert, dass er nicht alleine sein wollte, dass er der Gegenwart Mademoiselle Blanches bedurfte wie nie zuvor in den Jahren ihres Zusammenlebens. Gemeinsam waren sie vorgestern mit der Metro zur Place de Clichy gefahren, hatten den Friedhof Montmartre betreten, waren an der hingestreckten Gestalt von Alexandre Dumas, an der weißen Büste Heinrich Heines und an dem unscheinbaren Grabstein François Truffauts vorbeigekommen und hatten schließlich, nach einigem Nachfragen, auch jene Stelle gefunden, an der man Jacques Offenbach vor über hundertundzwanzig Jahren beerdigt hatte. Sie hatten sich unter dem ebenso herrisch wie schwermütig dreinblickenden Bronzekopf des Komponisten fotografieren lassen und waren dann weitergezogen ins Marais, in jenes Viertel nördlich der Seine zwischen Beaubourg und Boulevard Beaumarchais, das früher ein ausgedehntes Sumpfgebiet gewesen, später zu einer bevorzugten Wohngegend des Pariser Adels geworden war, das aber zu allen Zeiten von Juden aus der ganzen Welt bevölkert wurde und inzwischen das größte jüdische Viertel Europas war.

Sie waren an einigen Synagogen vorbeigekommen, hatten die Schaufenster der koscheren Geschäfte und Restaurants betrachtet, und schließlich hatte Monsieur Hofmann



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