Paris ist immer eine gute Idee by Nicolas Barreau

Paris ist immer eine gute Idee by Nicolas Barreau

Autor:Nicolas Barreau [Barreau, Nicolas]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-09-23T22:00:00+00:00


16

Die Frau, die von Shakespeare keine Ahnung hatte, war entgegen ihrer Gewohnheit schon früh am Morgen aufgestanden. Es war Montag, ihr freier Tag, und Rosalie hatte das Gefühl, ihre Gedanken bei einem ausgedehnten Spaziergang mit William Morris ordnen zu müssen. Sie spazierte in Richtung Place Saint-Sulpice, ließ die Kirche mit ihren eckigen weißen Türmen links liegen und ging weiter die Rue Bonaparte entlang, deren Geschäfte noch alle geschlossen hatten, bis sie schließlich den Jardin du Luxembourg erreichte.

Der Geruch eines Sommergartens schlug ihr entgegen. Blumen und das Grün der Bäume verströmten einen zarten Duft, in den sich der Staub der Wege und die Feuchtigkeit des Morgens mischten. Zwei einsame Jogger zogen mit weit ausholenden Schritten auf den äußeren Wegen an ihr vorbei, in ihren Ohrmuscheln steckten kleine Kopfhörer, deren dünne weiße Kabel in den Sweatshirts verschwanden. Ohne groß zu überlegen, schlug Rosalie einen der vielen Wege ein. Die breite Allee, die sie betrat, war noch menschenleer. Ein Sonnenstreif fiel schräg durch die flirrenden Blätter der Bäume, überglänzte den festgetretenen, erdigen Weg, der angenehm unter ihren Schritten knirschte und an dunkelgrünen Eisenbänken vorbeiführte, die zu beiden Seiten unter den Bäumen standen und zum Verweilen einluden.

Sie vergewisserte sich, dass sie auf der Seite des Parks entlangging, wo das Ausführen von Hunden gestattet war, dann machte sie William Morris von der Leine los, der davonstürmte, bevor er aufgeregt schnüffelnd an einem Baumstamm stehen blieb.

René war schon früh am Morgen in seine Wohnung gefahren. Als er ihr vor ein paar Tagen mit glänzenden Augen von seiner Einladung zu dem Seminar von Zack Whiteman erzählte, hatte sie nicht realisiert, dass er schon so bald nach San Diego fliegen würde. Doch René hatte den begehrten Platz nur deswegen ergattert, weil ein Freund aus dem Fitness-Club das Seminar hatte absagen müssen und dadurch etwas frei geworden war. Da hieß es zugreifen, oder die Gelegenheit zog vorüber. Bereits in wenigen Tagen sollte es losgehen, und René hatte noch einiges zu tun. »Das ist ein echter Glücksfall«, hatte er gesagt. »Whiteman ist der Fitness-Guru.«

Rosalie hatte etwas zerstreut genickt. Um ehrlich zu sein, war sie seit dem Abend mit Robert Sherman nicht so recht bei der Sache. »Ist das nicht alles ziemlich sonderbar? Ich frage mich, was dahintersteckt«, hatte sie gesagt, als sie ihrem Freund am nächsten Morgen von dem Gespräch mit dem Amerikaner berichtete.

»Warum zerbrichst du dir den Kopf über anderer Leute Angelegenheiten?«, hatte René gefragt. Sie saßen gerade zusammen auf der kleinen Dachterrasse und frühstückten. »Versteh mich nicht falsch, Rosalie, aber du hast ja schließlich nur die Bilder gemalt. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Marchais die Geschichte geklaut hat – dich trifft doch überhaupt keine Schuld. Und was geht’s dich an? Lass diesen verrückten Literaturprofessor die Sache doch selbst herausfinden.«

»Erstens ist er nicht so verrückt, wie ich dachte – seine Geschichte klingt sogar ziemlich glaubwürdig –, und zweitens ist es ja schließlich auch ein bisschen mein Buch«, hatte Rosalie eingewandt. »Außerdem möchte ich nicht, dass Max Marchais in Schwierigkeiten kommt.«

»Nun, wenn alles seine Richtigkeit hat, wird dein verehrter Kinderbuchautor schon keine Schwierigkeiten bekommen.



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