Oxford 7 - Roman by Frankfurter Verlags-Anstalt

Autor:Frankfurter Verlags-Anstalt [Tusset, Pablo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2013-02-25T05:00:00+00:00

Die Umlaufbahnen liegen bereits so nahe an der Erde, dass durch die Fenster fast nichts anderes zu sehen ist. Die Kids vergewissern sich auf dem Bildschirm, welchen Teil der Erde sie gerade überfliegen. Rick hat den Bildschirm mit der Kamera verbunden, die sich im Bauch des Shuttles befindet. Die Namen der Länder und Städte werden jetzt immer gleich in die Bilder hineingepostet.

Auf der einen Hälfte der Erdkugel ist Nacht. An der Ostküste Nordamerikas funkelt von Portland bis Miami ein Lichtermeer. Es ist ein unstetes Flimmern entlang einer Schnur aus Lichtperlen, die inmitten der verschmolzenen Megalopolen die Zentren markieren: Boston, New York, Philadelphia, Baltimore, Washington … Jenseits der fulminanten Leuchtlinie stoßen sie in milchiges Licht voller kleiner funkelnder Punkte vor, das zwischen Virginia und Kentucky bis Missouri reicht.

»Hier unten sind sie geritten, Grant und Lee«, ruft Marcuse.

Die Innenstädte leuchten besonders intensiv.

»Vincent Price kam aus Saint Louis«, Marcuse gestikuliert wild, »Doris Day aus Cincinnati … Ich habe das Gefühl, wir fliegen über eine Film-Enzyklopädie.«

Als sie den Norden Oklahomas unter sich sehen, zeigt BB auf einen Lichtfleck: »Da unten kam meine Großmutter auf die Welt!«

Die Landschaft der Rocky Mountains zwischen Colorado und Utah wirkt, als wäre sie mit einer bunten Lichterkette geschmückt. Eine Mega-Attraktion reiht sich an die andere, die gesamte Bergkette entlang. Das Shuttle überfliegt wenig später das Feuerwerk Las Vegas. Dann liegt schon Los Angeles unter ihnen. Die Westküste ist von San Francisco im Norden bis nach San Diego im Süden durch eine Lichtfläche miteinander verbunden. Dahinter erstreckt sich ein vollkommen finsterer Ozean, auf dem nur hier und da ein paar vereinzelte künstliche Inseln schimmern. Kurz vor Hawaii wechseln sie auf die Tagseite der Erde. Auf dem Bildschirm wird es brutal hell, sobald die Wellen unter ihnen die Sonnenstrahlen reflektieren. Das Meerwasser leuchtet nun nicht mehr blau, sondern glänzt silbern. Eine ganze Weile lang haben sie jetzt nur noch den Ozean unter sich, bis sie zwischen Australien und der Antarktis hindurchfliegen und schließlich den Südosten Afrikas überfliegen. Das Shuttle hat längst die Höhe eines normalen Interkontinentalflugs erreicht. Die weiten Wüstenflächen im Sudan und in Ägypten sehen braun und grau aus, mal heller, mal dunkler. Dann sehen sie schon die monotonen Solardächer der hydroponischen Pflanzungen, die sich über Tausende von Kilometern bis in den Norden Algeriens erstrecken. Das Shuttle verringert auf den letzten Kilometern über dem Mittelmeer deutlich seine Geschwindigkeit, bis sie schließlich die Küste vor Barcelona erreichen. Die Robin Redbreast II, dieses Vehikel aus Segel und Panzer, dreht sich über dem Meer, um sich für die Landung in die richtige Position zu bringen. Jetzt können sie sich abschnallen und auf ihren Sitzen umdrehen, um aus den Fenstern auf die Erde zu schauen. Der Space-Port liegt dort, wo zu Ricks Jugendtagen das Ackerland in kleine Parzellen aufgeteilt war, die sich vom Interkontinentalflughafen El Prat bis zum Dorf Castelldefels erstreckten.

Der gesamte vollautomatisierte Landevorgang dauert samt Anflug vielleicht zehn Minuten. Rick hat sich noch eine Dose Bier aufgemacht.

»Auf alle rothaarigen Ziegen«, ruft er.

Die Mädels sind ziemlich aufgekratzt und können es kaum erwarten, auszusteigen. Von Marcuse dagegen ist schon seit einiger Zeit nichts mehr zu hören.

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