Orion steigt herab by Bova Ben

Orion steigt herab by Bova Ben

Autor:Bova, Ben [Ben, Bova]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: WILHELM HEYNE VERLAG
veröffentlicht: 2015-06-29T16:00:00+00:00


25

Dal und Ava blieben ständig bei mir, während der Klan seine Wanderung durchs grüne, in voller Blüte befindliche Land fortsetzte. Dal war ein guter Anführer, der seine Verantwortung ernst nahm. Er war fast so groß wie ich, jedoch erheblich magerer, hatte gehörige Muskelpakete und scharfe, wache Augen. Den ganzen Tag hindurch beobachtete er mich aufmerksam. Dal hegte keine Furcht, ich könnte ein Geist sein, der für den Klan irgendeine übernatürliche Bedrohung bedeutete. Seine Sorge war sehr praktischer und sachlicher Natur. Er befürchtete, bei mir könnte es sich um den Spion eines fremden Klans handeln, einen Eindringling mit dem Vorhaben, den Klan in einen Hinterhalt zu locken.

Anfangs begriff ich das nicht. Nach ein paar Tagen, in deren Verlauf er mich argwöhnisch und wachsam im Augenmerk behielt, reimte ich es mir zusammen. Abends, wenn die Ältesten am Lagerfeuer ihre Geschichten erzählten, hörte ich genug Prahlereien mit Mord und Totschlag und Kämpfen, um zu kapieren, dass sogar in diesem halben Paradies, wo die Klans zu verstreut lebten, um Kontakte miteinander zu haben, Töten und kriegerische Auseinandersetzungen recht häufig vorkamen, und dass man sie glorifizierte.

Anscheinend begegnete man auf den Wanderungen anderen Klans, und wenn man sich auf den Routen traf, stritt man im allgemeinen um die Vorherrschaft in den Jagdgründen. Obwohl ich den Eindruck hatte, dass es überall von Wild und essbarem Getier nur so wimmelte, erachteten diese nomadischen Jäger Territorialrechte als unerlässlich fürs Überleben. Es bedurfte vieler Quadratkilometer Land, um soviel Beute zu machen, dass sich der kleinste Klan davon ernähren konnte, weil die Ernährung überwiegend von der Jagd abhing. Und die Erträge der Jagd fielen nie so gut aus, dass man davon üppig hätte leben können.

Dem zufolge, was ich von Dal und den anderen hörte, bewohnten normalerweise mehrere Klans, die durch Heirat miteinander verwandt waren, im Sommer gemeinsam dasselbe Gebiet. Wir waren zu den sommerlichen Lagerplätzen unterwegs, die oben in den Hügeln im Umkreis des Vulkans mit den zwei Gipfeln lagen, der sich über die Landschaft erhob. Die Klans verbrachten den Sommer zusammen, und zwar in einer gegenseitigen Nähe, die regelmäßige Besuche, Brautwerben, Hochzeiten sowie den Austausch von Geschichten und Informationen ermöglichte. Im Herbst brachen sie wieder auf und zogen auf getrennten Wegen zu ihren Winterlagern tief im Süden.

Auch Ava hegte gegen mich Argwohn. Ihre Befürchtungen betrafen jedoch ausschließlich das Übernatürliche. Sie war die Schamanin des Klans, eine Mischung aus Kräuterärztin, Priesterin, Psychologin und zudem Beraterin Dals, des Klanoberhaupts. Fast amüsierte es mich, als ich erkannte, wie früh in der Menschheitsgeschichte die Rollen von Priester, Doktor und Grauer Eminenz sich zu einer einzigen Funktion vereinten.

Ava ging jeden Tag neben mir, doch anscheinend blieb ihr Interesse an meiner Person rein professioneller Art. Sie wollte darin sichergehen, dass sie es, falls ich mich doch als Dämon erwies, sofort merkte und etwas gegen mich unternehmen konnte, ehe es mir gelang, dem Klan Schaden zuzufügen. Sie befragte mich endlos nach meiner Herkunft und den Verhältnissen bei meinem Klan. Aber das machte mir nichts aus; ich war glücklich, bei ihr zu sein, obwohl ich wusste, dass sie sich jeden Abend, wenn ich mich vom Lagerfeuer entfernen musste, zu Dal legte.



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