Opfertod by Hanna Winter

Opfertod by Hanna Winter

Autor:Hanna Winter [Winter, Hanna]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH
veröffentlicht: 2012-02-16T23:00:00+00:00


36

»Die Adresse stimmt aber«, sagte Lena, als sie einige Zeit später vor der Haustür der Wirts standen. Das schlichte, einst weißgestrichene Einfamilienhaus wirkte renovierungsbedürftig. Bis auf die freundlich winkenden Gartenzwerge, die auf dem Kiesweg im Vorgarten standen, gab es hier nichts, was einladend wirkte.

»Wie … wie sehe ich eigentlich aus?«, fragte Belling plötzlich.

Lena drehte sich zu ihm um, während sie ihren Zeigefinger nach der Klingel ausstreckte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er seine Haare hatte schneiden lassen. Seine ausgelatschten Freizeitschuhe hatte er gegen ein Paar Lederschuhe eingetauscht, und seine Hose passte zu seinem neuen Kordjackett. Sogar sein Hemd war sorgfältig gebügelt. »Ist das jetzt so wichtig?«, fragte sie leicht irritiert.

Er druckste herum. »Na ja … ich treffe mich nachher mit Helena.«

»Mit Ihrer Exfrau?«, fragte Lena und lächelte verblüfft. »Wie kommt das?«

»Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung.« Er vergrub die Hände in seiner beigen Kordhose und hob die Schultern. »Vielleicht hatte sie bloß einen schwachen Moment oder so … Jedenfalls hat sie mich angerufen und gemeint, es sei an der Zeit, zu reden. Hört sich doch ganz vernünftig an, oder?«

Lena sah, wie er den Ehering an seinem Finger betrachtete. Er trug ihn immer noch. Anscheinend lag ihm doch mehr an seiner Exfrau, als er sich bislang eingestehen wollte.

»Wir treffen uns in unserer alten Kneipe«, erzählte er mit glühenden Wangen und lächelte versunken. »Sie werden es nicht glauben, aber es ist über vierzig Jahre her, seit wir uns dort zum ersten Mal getroffen haben – und diese Kneipe gibt’s immer noch. Ich wette, die haben seitdem nicht mal die Tischdecken gewechselt.«

Lena musste schmunzeln. Als sie erneut klingelte, öffnete sich die Haustür.

Ariane Wirt stand in Pantoffeln mit einem Geschirrtuch in der Hand in der Tür. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen. Offenbar hatte sie geweint. Sie trug einen dunklen Pullover, der aussah wie selbst gestrickt. Dazu einen abgetragenen Faltenrock.

»Guten Tag, Frau Wirt. Es tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedertreffen.« Lena streckte Ariane Wirt mit einem Gefühl alter Vertrautheit die Hand entgegen.

»Schön, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen«, meinte Ariane Wirt, wischte sich ihre noch nassen Hände am Geschirrtuch ab und gab Lena die Hand. Ariane Wirts Händedruck war schlaff wie der einer Greisin. Und sofort fiel Lena die Verzweiflung auf, die sich hinter dem tapferen Lächeln von Suzannas Mutter verbarg.

»Als ich Sie zuletzt gesehen habe, gingen Sie noch mit Suzanna zur Schule.«

Lena lächelte sie an. »Ja, ist wirklich lange her …« Sie wies zu Belling. »Das ist Wulf Belling … mein … mein Partner«, sagte sie schnell.

Dieser nickte eifrig, und Ariane Wirt bat sie herein. Nach einem prüfenden Blick zur Straße, wie um sicherzugehen, dass ihnen niemand gefolgt war, schloss Wirt die Tür. »Ich habe das Klingelschild entfernt, um zu vermeiden, dass mich die Presse ausfragt, über Suzanna meine ich …« Wirt schlurfte in ihren Pantoffeln voran, während sie ihr über einen mit verstaubten Medaillen und Kinderfotos behängten Flur folgten. Im Haus lag der modrige Geruch von alten Teppichen. Von innen betrachtet wirkte es deutlich kleiner als von außen, was Lena den wuchtigen Antikmöbeln zuschrieb, mit denen die Räume vollgestellt waren.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.