Opferland by Bettina Obrecht

Opferland by Bettina Obrecht

Autor:Bettina Obrecht [Obrecht, Bettina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugendroman
Herausgeber: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-08-21T14:23:33+00:00


11. Gequetschte Pralinen

Jeder von uns soll sich eine Szene für den Film überlegen. Ich habe diese Aufgabe bis zum letzten Tag hinausgeschoben, und als ich jetzt am Schreibtisch sitze, vor meinem Collegeblock – aus irgendeinem Grund möchte ich von Hand schreiben, nicht mit dem Computer –, habe ich nur einen Gedanken, nämlich den, dass ich die Sache doch hinschmeißen sollte, die Filmgruppe verlassen, überhaupt nicht mehr an dieses Thema denken.

Ich kann das einfach nicht. Es wäre mir schon vor der Feier unendlich schwergefallen, und nach dem, was am Samstag passiert ist, kann ich schon gar nicht mehr nachdenken. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich nur glühende Punkte tanzen wie leuchtende Atome in einem ansonsten leeren Universum. Keine Gesichter zeichnen sich ab, keine Orte, nur so ein langsam aufwärtskriechendes Gefühl, schmutzig zu sein, besudelt am ganzen Körper, einen fauligen Geruch auszuströmen.

Die Geschichte mit meiner Jacke gestern, das heißt noch nichts. Es war ein dämlicher Jungenstreich, es haben sich bestimmt nur diese drei Jungs beteiligt, Lars, Momo und Ken, und mindestens zwei davon waren zu diesem Zeitpunkt schon hochgradig besoffen. Das bedeutet noch lange nicht, dass alles wieder losgeht. Wenn ich mich bei der Feier nicht wohlgefühlt habe, dann nicht, weil jemand mir etwas Böses will, sondern nur deswegen, weil solche Feiern einfach nicht mein Ding sind.

Sinjas Mutter hat gesagt, wenn die Jacke kaputt ist, muss ich den Jungs eine Rechnung stellen, so geht das ja gar nicht, aber ich habe gesagt, die Jacke hatte es ohnehin nötig, mal gewaschen zu werden, und dass ich vielleicht mal nachsehen sollte, ob noch ein Goldfisch in einer der Taschen feststeckt. Sinjas Mutter hat gesagt, sie findet es gut, dass ich die Sache mit so viel Humor nehme, und dass man das Leben überhaupt nur mit Humor ertragen könne und das Beste draus machen müsse.

Mir war aber in Wirklichkeit gar nicht nach lachen zumute. Nur gut, dass ich mein Handy nicht in der Jacke hatte, aber vielleicht waren die Jungs sogar noch nüchtern genug, um das zu überprüfen.

Wie soll ich etwas zu diesem Thema schreiben, ohne über mich zu schreiben, über Marvin und Frau Unmuth, über Herrn Schrader und Frau Zwecke, über Paul, Finn-Luca, Jasmin, Max-Erik, Noah, Emil, vielleicht auch über Herrn Knopper, der immer noch an der Grundschule unterrichtet, obwohl er schon im Pensionsalter ist – wahrscheinlich denkt er, er kann die Kinder nicht im Stich lassen …? Sie alle habe ich aus meinem Leben gestrichen, und was es über sie zu sagen gäbe, liegt in einer kleinen Kiste vergraben, an einer Stelle, die nur ich kenne. Dort wird sie für alle Zeiten liegen bleiben. Es besteht keine Gefahr, denn garantiert wird keiner ein Haus an diese Stelle bauen oder einen Acker anlegen.

Ich esse eine ganze Tafel Schokolade … meine Mutter hat mich großzügig versorgt, weil ich ja am Wochenende nicht nach Hause kommen wollte … und bin gerade kurz davor, alles hinzuschmeißen und Charly per SMS mitzuteilen, dass ich doch aussteige … kann ja sagen, ich habe mich verliebt oder muss so



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