Ohne ein Wort by Linwood Barclay

Ohne ein Wort by Linwood Barclay

Autor:Linwood Barclay [Barclay, Linwood]
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783843701549
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2012-03-21T19:41:35+00:00


Meine Schüler verhielten sich erstaunlich taktvoll. Anscheinend hatte sich herumgesprochen, warum ich zwei Tage lang nicht in der Schule gewesen war. Ein Todesfall in der Familie. In der Zwischenzeit hatten sie sich an meiner Vertretung schadlos gehalten. Wie alle echten Raubtiere nutzen Schüler die Schwächen ihrer Opfer rücksichtslos aus. Meine Vertretung stotterte kaum merklich; eigentlich hörte man es nur, wenn sie am Anfang eines Satzes leicht ins Stocken kam, doch das reichte den Kids bereits, um sie erbarmungslos nachzuäffen. Wie mir andere Kollegen beim Mittagessen erzählten, war sie am ersten Tag in Tränen aufgelöst nach Hause gefahren. Mitleid hatte keiner. Die Schulkorridore waren ein gnadenloser Dschungel, in dem nur die Starken überlebten.

Mir gegenüber zeigten sie ein wenig mehr Zurückhaltung. Nicht nur die Kids in meinem Schreibkurs, sondern auch die Schüler meiner beiden Englischklassen. Allerdings wohl kaum aus Pietät, wie mir klar war. Tatsächlich lauerten sie nur darauf, ob ich mich irgendwie verändert hatte, ob ich eine Träne vergießen, plötzlich die Beherrschung verlieren oder die Tür hinter mir zuknallen würde.

Den Gefallen tat ich ihnen nicht. Was wiederum bedeutete, dass ich für den kommenden Tag keine Sonderbehandlung erwarten durfte.

Jane Scavullo blieb an meinem Pult stehen, während die anderen Kids des Schreibkurses den Raum verließen.

»Tut mir leid, das mit Ihrer Tante«, sagte sie.

»Danke«, sagte ich. »Eigentlich war es die Tante meiner Frau, aber sie stand mir ebenfalls sehr nahe.«

»Tja«, sagte sie und trabte hinter den anderen her.

Kurz nach Mittag kam ich am Sekretariat vorbei. Im selben Moment trat eine der Sekretärinnen aus der Tür und blieb abrupt stehen, als sie mich erblickte.

»Oh, da sind Sie ja!«, rief sie. »Ich habe es schon im Lehrerzimmer versucht.«

»Was gibt’s denn?«, fragte ich.

»Ein Anruf für Sie«, sagte sie. »Ich glaube, es ist Ihre Frau.«

Ich folgte ihr ins Sekretariat. Sie wies auf ihr Telefon. Eine Taste blinkte. »Einfach draufdrücken«, sagte sie.

Ich griff nach dem Hörer und drückte auf die Taste. »Cynthia?«

»Terry, ich …«

»Ich wollte dich auch anrufen. Es tut mir leid wegen gestern Nacht. Ich hätte das nicht sagen dürfen.«

Die Sekretärin setzte sich und tat so, als würde sie nicht zuhören.

»Terry …«

»Vielleicht sollten wir einen anderen Privatdetektiv einschalten. Ich meine, nachdem sich Abagnall nicht mehr meldet, aus welchen Gründen auch immer …«

»Terry, sei doch endlich mal still.«

Abrupt verstummte ich.

»Es ist etwas passiert«, sagte Cynthia mit leiser, fast atemloser Stimme. »Ich weiß jetzt, wo sie sind.«



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