Ohne Eifer ohne Zorn by Bodo Kirchhoff

Ohne Eifer ohne Zorn by Bodo Kirchhoff

Autor:Bodo Kirchhoff [Kirchhoff, Bodo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2013-02-22T00:00:00+00:00


Seine Kontaktperson meldet sich. Ja?

Ich bin an einem italienischen See, sagt er, in einem Ort namens Torri, mutterseelenallein in einem Hotel am Wasser.

Und warum?

Ich bin dort hingefahren.

Wolltest du verreisen?

Ich weiß es nicht.

Hast du die Polizei gerufen?

Ja. Und gestern wäre ich fast ertrunken. Ich bin abends in den See gefallen.

In den See gefallen. Warum?

Ich stand am Rand einer Mole, und es gab ein Übergewicht. Ich habe mich erkältet. Ich bin krank.

Hast du Fieber?

Neununddreißig vier.

Ich glaube dir nicht.

Das Wasser war eisig.

Kein Sterbenswort glaube ich.

Aber es ist wahr.

Na und.

(kurzes Schweigen)

Ich hab etwas geschrieben. Spartanische Notizen. Und sie dann weggeworfen. Auch ins Wasser.

Und wofür?

Ich weiß nicht, wofür. Ich weiß auch nicht, wogegen.

(kurzes Schweigen)

Hast du die andere Geschichte?

Die hab ich gemacht. Die hab ich im Kopf. Ich kann sie wiederholen, willst du?

Ist das Wetter dort schön?

Die Sonne scheint.

Blühen schon die Bäume?

Du, die Bäume, ich weiß es nicht.

Wieso bist du ins Wasser gefallen?

Vielleicht aus Fahrlässigkeit.

Ist das eine Erklärung?

Das ist ein Wort.

(langes Schweigen)

Hast du Geld?

Ich hab alles dabei.

Dann werd ich dich besuchen.

Du mich?

Es muss nicht sein.

O mein Gott …

Was heißt das?

Das heißt gar nichts.

(kurzes Schweigen)

Wo bist du genau?

Ich? Jetzt?

Wo du dich aufhältst genau.

In Torri del Benaco, Hotel Calcinardi. Mit dem Zug bis Verona, von dort mit dem Bus.

Morgen bin ich da.

(kurzes Schweigen)

Wie ich dich liebgewinne.

Es hat mit dir nichts zu tun.

Bist du sicher?

Es bedeutet Gott sei Dank nichts.

(kurzes Schweigen)

Alsdann …

Du, ich wollte dir noch was erzählen. Eine neue Idee, für ein Theaterstück. Pass auf: Irgendwo in einer menschenleeren Gegend hat sich ein Erdspalt aufgetan. Ein Anziehungspunkt, neben dem ein Vergnügungskomplex entsteht, das Erodrom. Dort treffen sich Zerstreuungsuchende, mit dem Spalt als Vorwand, und versprechen sich vollkommenes Glück. Aber, und das ist der Witz, die Erde schließt sich langsam wieder, von Beginn des Stückes an, und der Genuss verliert allmählich an Begründung. Das Erodrom verödet. Die Angestellten fallen in Onanie, in den Wahnsinn.

Eine komische Geschichte.

Ein Lustspiel.

Ein Trauerspiel.

(kurzes Schweigen)

Und du schreibst das?

Ich weiß es nicht.

Wartest du auf mich in Torri?

Ich glaube schon.

Wir werden sehen.

Am anderen Ende das kleine Geräusch des Auflegens und Branzger bezahlt das Gespräch. Er spürt inzwischen deutlich sein Fieber, denkt an den Tod und verlässt das Hotel. Er schleppt sich durch den Ort, die Hauptgasse entlang, sieht vor jedem Laden ein, zwei Leute bei gedämpftem Palaver und auf den Mauern die weißgrauen Katzen.

In einem Laden für Sonnenbrillen und anderen optischen Bedarf kauft sich Branzger ein Fernglas. Er läuft damit zurück zum Hotel und fragt die Frau mit Säugling nach einem Arzt. Er hustet und zeigt auf seinen Hals, und sie telefoniert für ihn in ihrer Sprache. Der Medico wird heute Nachmittag kommen, sagt sie, und Branzger berührt den Säugling an der



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