Null-Null-Siebzig, Mord in Hangzhou: Kriminalroman (German Edition) by Marlies Ferber

Null-Null-Siebzig, Mord in Hangzhou: Kriminalroman (German Edition) by Marlies Ferber

Autor:Marlies Ferber [Ferber, Marlies]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-10T04:00:00+00:00


Kapitel 22

»Sehen Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Er hatte Todesangst. Zu Recht, offensichtlich.« James streifte sich die blauen Latexhandschuhe über, die Lao Zhang ihm reichte, schob das Moskitonetz beiseite und trat neben die Leiche.

»Wie ist er getötet worden?« James suchte vorsichtig nach Blut und anderen Zeichen von Gewalt. Der tote Inder lag auf dem Rücken und war vollständig bekleidet, nur seine Schuhe standen neben dem Bett. Der sanfte Wind des Deckenventilators spielte mit seinen Haaren. Die Züge des Toten waren entspannt, die Augen geschlossen. Dr. Hashmi wirkte, als würde er jeden Moment aufwachen.

»Handkantenschlag ins Genick«, sagte Lao Zhang kurz angebunden. Er hatte sich ebenfalls Handschuhe übergestreift und zeigte James die Stelle. »Hier, fühlen Sie mal. Hashmi hatte keine Chance. Lautlos und schnell. Nichts, was unsere Abhöranlage hätte aufzeichnen können. Mit der Übung und Eleganz eines …«

»… Profis«, vollendete James den Satz. Er hütete sich vor der Bemerkung, dass Kameras die bessere Überwachungsalternative zu bloßen Wanzen gewesen wären. Die schlechte Laune seines chinesischen Kollegen ließ darauf schließen, dass ihm dieser Gedanke bereits selbst gekommen war.

Lao Zhang griff in den Kragen des toten Inders. »Aber womöglich nicht nur der Täter. Schauen Sie hier.« Die Krageninnenseite war blank, Herstelleretikett und Kragenweite waren herausgetrennt worden.

James schüttelte den Kopf. »Das hätte ich als Letztes vermutet!«

»Warum?«, fragte Lao Zhang.

»Ein Profi, der sich seine Angst so deutlich anmerken lässt?«

Lao Zhang zog die Augenbrauen hoch. »Er war Inder«, sagte er in einem Tonfall, als wäre das Erklärung genug.

»Und was schließen Sie daraus?«, fragte James.

Lao Zhang sah ihn verständnislos an. »Dass er nicht der Beste war in seinem Job.«

»Abgesehen davon. Ich meine, dass hier ein Profi von einem anderen getötet wurde. Sehen Sie einen Zusammenhang zum Anschlag im Operninstitut? Zum getöteten Wachmann?«

Lao Zhang sah ihn aufmerksam an. »Sie sind im Besitz des höheren Alters und der größeren Weisheit und Lebenserfahrung, Mr Gerald. Sie sind besser als ich in der Lage, ein unvollendetes Gedicht zu Ende zu schreiben.«

James zuckte mit den Schultern. »Sehr schmeichelhaft, aber ich bin kein guter Dichter. Ich brauche harte Fakten, um meine Schlüsse zu ziehen, und dass Hashmi Kleidung trägt, die keine Rückschlüsse auf ihren Ursprung zulassen, reicht mir nicht.«

»Sie tappen im Dunkeln?«

»Mitnichten. Aber dass der Inder tot ist, beweist letztlich ebenso wenig wie die herausgetrennten Etiketten, dass er wirklich ein Geheimagent war. Und dass er professionell getötet wurde, nicht zwingend, dass der Mörder einer war. Möglicherweise sind die Zusammenhänge ganz anders.«

»Oder auch nicht«, sagte Lao Zhang. »Vielleicht ist es schlicht und einfach so, wie es aussieht: Das Opfer hier ist ein ausländischer Agent.« Er bückte sich, nahm die Schuhe des Inders, die ordentlich neben dem Bett standen, und zeigte sie James. »Das wird Sie überzeugen. Sehen Sie hier: Unter der Sohle ist ein kleines Messer, zudem ein Peilsender. Ein indisches Modell. Sind Sie jetzt immer noch davon überzeugt, dass Dr. Hashmi nur das harmlose Opfer ist?«

»Das sind nicht seine«, sagte James ungerührt.

»Warum nicht?«

»Weil er andere Schuhe trug, die beiden Male, als ich ihn gesehen habe.«

»Die meisten Menschen besitzen mehr als ein Paar Schuhe«, lächelte Lao Zhang.



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